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Langsam ankommen

Tag drei. So langsam komme ich an in den Bergen. Dass ich so weit laufen werde, ist im Moment noch unwirklich. Andererseits bin ich erst zwei volle Tage unterwegs, aber es erscheint mir viel länger. Dauern die Tage beim Laufen so viel länger?

Ich bin froh, dass meine Schwester die erste Woche mit mir unterwegs ist. So sehr wir uns als Lauf-Paar auch erst mal finden müssen, es ist schön, alles miteinander zu teilen. Das Schöne: die Ausblicke, die geschafften Meter, die Schorle auf der Hütte, die Freude über die Dusche. Das Ärgerliche: das bestellte Zimmer ist nicht fertig, das magere Frühstück heute, bisher durchgängig schlechtes Internet. Das Herausfordernde: schwierige Wege, Füße, die solche Märsche nicht gewohnt sind, Blasen, schmerzende Fersen, der schwere Rucksack. Ich hatte gedacht, ich nähme es leichter. Ich hatte gedacht, ich würde mich schneller an alles gewöhnen. Trotzdem, manchmal lachen wir gerade darüber, wenn wir die letzten Meter zum Ziel schleichen, abends unsere Füße mit Hirschtalg eincremen, den steilen Anstieg vor uns sehen …

Ich merke, ich bin im Moment noch sehr mit mir und allem möglichen Kram beschäftigt, kann alles nicht so einfach hinter mir lassen. Würde gern viel mehr genießen, stattdessen rattert mein Hirn, suche ich mich noch auf dieser Reise, ist längst nicht alles so geordnet, wie ich es gern hätte. Und immer wieder die Frage, ob ich alles schaffen werde. Oder ob ich zu viel will, mein Körper mir was sagen, mich bremsen will.

Das Wetter ist bisher warm und sonnig, nur gestern war wechselhaft. Gerade machen wir Pause an der Isar in Vorderriß, halten die Füße ins Wasser, genießen die frische Brise, das Plätschern. Ich nutze Zeit und Sonne, um ein paar meiner Sachen durchzuwaschen. Ich muss sie nur ins Wasser halten, die Isar spült sie allein sauber. Aufgehängt an den Wanderstöcken wird alles schnell trocken. So einfach kann das Leben sein. Und alles, was ich brauche, habe ich dabei.

Heute habe ich zum ersten Mal das Gefühl, ich wandere nicht nur, ich wandere doch ein bisschen über die Alpen. Mittlerweile liegen Lenggries, das Brauneck, die Tutzinger Hütte, die Jachenau hinter uns. Und wir sind mittendrin. Hinter uns Berge, auf denen wir waren. Vor uns das Karwendel, das sich über dem mächtigen Risstal erhebt, und das die nächsten Tage auf uns wartet.

Am Abend erwartet uns mit der Kaiserhütte eine Perle. Unscheinbar taucht sie in keinem Reiseführer auf. Ein kleines Holzhäuschen mit Strom und Dusche steht hier mit drei Zimmern für neun Wanderer auf einer Alm bereit. Heute sind es fünf Wanderer und meine Schwester und ich haben ein Zimmer für uns. Allein die Türen zu Zimmern und Bad sind schon toll anzusehen. Rustikal. Alles aus Holz. Mit Riegeln zu verschließen. Mit Liebe gemacht. Sofort fühlen wir uns wohl hier. Freuen uns auf die Nacht. Unsere Herbergsmami ist supernett, das Essen lecker und reichlich. Wie unterschiedlich man empfangen wird! Wir genießen und fühlen uns beschenkt.

Mit Bildern hochladen wird es wohl schwierig. Ich habe selten Internet. Ich weiß nicht, wie oft ich wirklich etwas online setzen kann. Schade. Aber vielleicht auch gut? Ich will mich deswegen nicht stressen.

Morgen geht es ins Karwendel. Wir freuen uns.


Stephanie Kelm

ist verheiratet und zu Hause im Taunus. Sie liebt es, schreibend und wandernd Gottes Welt zu entdecken und ist staunend und stolpernd unterwegs ins Vertrauen.


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