Zum Inhalt springen

Reiseruhe

Der Tag Ruhe gestern hat gut getan. Die Nächte im Zelt waren dieses Mal trocken und ich verbuche sie froh unter „erfolgreich“. Und das Gute: Ich konnte gestern einfach so lange im Schlafsack bleiben wie ich wollte. Kein Frühstück um sieben Uhr, keine raschelnden Bettnachbarn – nur ich, mein Zelt und Kram, ein Stückchen Wiese und der weite Morgenhimmel über’m Schlern.

Irgendwann bin ich dann aufgestanden, habe mir mein Müsli mit Joghurt gemischt und einfach drauflos gegessen. Ich wusste: Heute musst du nichts. Nur ein bisschen einkaufen und waschen. Und noch mal wegen den nächsten Tagen überlegen. Ansonsten Sonne genießen, schwimmen, schreiben … wonach mir eben ist.

Vormittags bin ich dann nach Völs zum Einkaufen gelaufen. Eine Stunde gemütlich. Unterwegs habe ich an einem Waldsee Pause gemacht. Dort habe ich mir dann eine Unterkunft in Naturns organisiert. Gar nicht so einfach. Eigentlich wollte ich in Prad auf den Campingplatz, aber da Gewitter gemeldet ist und in Prad wegen dem Radtag alles ausgebucht ist, weiche ich aus nach Naturns und fahre dann früh noch ein bisschen Zug. Auch die Pension in Naturns habe ich nur um drei Ecken herum gefunden. Aber sie passt! Ich freue mich.

In Völs kaufe ich ordentlich ein. Dort gibt es einen Supermarkt und am Ende habe ich so viel im Korb, dass meine Aufgabe für die nächsten Tage Essen heißt. Immer noch gilt, was ich nicht esse, muss ich schleppen. Aber ich habe auch Appetit auf die Aprikosen, Äpfel, Tomaten, Gurke, Mozzarella, das frische Brot. Dazu Schokolade und Nüsse und Riegel für unterwegs. Zurückzu nehme ich den Bus. Durch meine Übernachtung auf dem Campingplatz habe ich eine Gästekarte und kann den öffentlichen Verkehr in ganz Südtirol nutzen, also auch morgen über Bozen und Meran nach Naturns fahren. Das freut den Sparfuchs in mir.

Ansonsten passiert heute nicht viel, mein Körper genießt die Ruhe, mein Kopf versucht die letzten Tage und Wochen zu verarbeiten. Die meiste Zeit verbringe ich auf der Isomatte im Gras liegend. Abends gucke ich einfach in den Himmel, schaue den Wolken zu, staune, wie sanft die Farben sich ändern. Alle Farben passen perfekt zusammen. Ich mag die zarten Blautöne, das Weiß der Wolken, die sich locker über den Himmel ziehen und ohne Eile bewegen. Es wird jetzt abends schnell dunkel. Kurz nach acht entdecke ich die ersten Sterne, bis neun sitze ich noch draußen. Dann wird es mir zu kalt und ich verkrieche mich ins Zelt, das mir mittlerweile vertraut ist. Inzwischen habe ich eine Routine, lege meinen Rucksack im Vorzelt auf mein Sitzkissen und stülpe die Regenhülle drüber, um ihn vor Tau zu schützen. Die Wanderschuhe sind in der anderen Ecke. Das Zelt selbst hat nur Platz für mich und meinen Schlafsack und einige Kleinigkeiten. Auch hier habe ich wie auf der Hütte Augenbinde, Ohropax und Handy griffbereit neben mir liegen. Alles andere ist im Rucksack verstaut.

Der Transfer heute von meinem Campingplatz nach Naturns geht schneller als gedacht. Bus und Bahn funktionieren reibungslos. Unterwegs staune ich, wie sehr die Landschaft sich verändert, wie anders auch alles aussieht, als ich es mir vorgestellt habe. Ursprünglich wollte ich auch diese Strecke laufen, aber es hätte mich noch einmal vier bis fünf Tage gekostet. Doch die Karten von dem Gebiet habe ich studiert und im Kopf. Trotzdem sieht in der Realität alles anders aus.

Der Abschnitt von Völs nach Bozen ist felsiger und enger als ich dachte. Die Fahrt schenkt mir viele Ausblicke. In mir stecken noch die Dolomiten, aber auch diese Landschaft hat ihren Reiz. Ab Bozen begleiten mich dann fast nur noch Apfelplantagen. Grüne, gelbe, rote Äpfel, hier wachsen sie. Und links und rechts bewaldete und zugleich felsige Berge, immer wieder auch alte Kastells. Nach Meran im Vinschgau werden die Berge dann wieder höher, windet sich auch die Straße wieder in die Höhe.

Jetzt bin ich wohl wirklich in Italien angekommen. In Meran ist es warm, ich sehe Palmen. Und auch die Häuser haben echt italienisches Flair.

Ich merke aber, ich freue mich schon wieder auf die Berge. Da kenne ich mich besser aus, das ist mehr meine Welt. Die nächsten zwei Wochen werden mich trotzdem durch unbekanntes Terrain führen. Tirol, die Dolomiten, das kannte ich ein bisschen. Die Stilfser Berge, die Bernina und alles, was Richtung Comer See kommt, ich kenne es bisher nur von der Karte. Zusätzliche Herausforderung: Ab sofort werde ich mit Deutsch wohl nicht mehr so leicht durchkommen. Ob mit Englisch? Ich hoffe, zur Not hilft mir meine Italienisch-App weiter. Und wie gut das Netz sein wird? Ich weiß es nicht. Noch nicht.


Stephanie Kelm

ist verheiratet und zu Hause im Taunus. Sie liebt es, schreibend und wandernd Gottes Welt zu entdecken und ist staunend und stolpernd unterwegs ins Vertrauen.


2 Gedanken zu „Reiseruhe“

  1. Liebe Steffi,
    jetzt habe ich mir endlich die Zeit genommen und deine Tour bis hierher verfolgt. Sehr interessant mit den vielen Aufs und Abs. Danke für die ausführlichen Berichte. Halte durch und möge weiter die Freude überwiegen. Ich wünsche dir auch, dass du findest, was du bei dieser Reise suchst/ gesucht hast. Liebe Grüße von Doreen

Danke für deinen Kommentar.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert