Manchmal wäre ich gern anders. Auch in meinem Glauben an Gott. Ich wäre gern sehnsüchtiger, erfüllter, hartnäckiger. Gott liebt mich, wie ich bin. Liebe ich mich?
Donnerstag. Nur noch eine Bestrahlung. Was habe ich mir vor sechs Wochen für Gedanken gemacht! Heute sitze ich hier, blicke zurück und bin dankbar, wie gut ich durch diese Zeit gekommen bin.
Schwierige Zeiten und Gottesnähe
Von manchen habe ich in den letzten Monaten gehört, dass Krebs und schwere Zeiten einen Gott nahebringen. Bei mir ist es irgendwie anders. Ich beobachte, dass Gott mir im Krebsdschungel der vielen Fragen und Abzweigungen eher verloren geht.
Ich freue mich auf die Zeit, in der wieder etwas mehr Ruhe einkehren wird, Ruhe in mir und Ruhe für Gott. Ob es in einem halben Jahr so weit ist, wenn ich medikamentös gut eingestellt bin? Ich hoffe es. Außerdem habe ich ab sofort statt Morgenfahrten wieder meine Morgenzeit.
Wie kann einem Gott in so einer Zeit verloren gehen? Ich stelle fest, es geschieht sehr leicht. Mit meiner ganzen Forscherei und Fragerei zum Thema Krebs helfe ich mir – und ich mache es mir schwer. Und wenn zu viele Fragen in meinem Kopf stecken, passt nicht mehr viel von Gott rein.
Es wäre einfacher, ich würde einfach tun, was die Docs mir raten. Klarer Fahrplan, keine Fragen. Aber ich will wissen und verstehen. Ich gebe mich nicht zufrieden mit Hinweisen auf Leitlinien. Ich merke, es ist gut, Fragen zu stellen. Es gibt so viel, was Krebspatienten helfen kann über die Schulmedizin hinaus.
Räume für Gott
Wie kann ich so fragen und forschen, dass Gott nicht rausfliegt, sondern dabei ist? Dass Platz für ihn in meinem Kopf und Herzen bleibt? Schlusspunkte helfen mir, wenn ich sie wirklich setze. Googeln ja, aber nur bis 18 Uhr und am besten zielgerichtet.
Immer wieder stoße ich auf interessante Fakten, die mich zu weiteren Punkten führen, aber weg von der eigentlichen Frage. Und alles ist wichtig, alles will ich mir merken, allem will ich nachgehen. Aber das geht nicht. Begrenzen. Fragen notieren. Meinem Kopf Feierabend gönnen.
Gestern Abend saß ich im Lichterkettenlicht auf dem Sofa. Das tat gut. Nebenbei habe ich ein bisschen Reinhard Mey gehört. Einfach nur leise Lieder, gute Texte mit ein bisschen Gitarrenbegleitung. Es hat meine Fragen verscheucht, ein bisschen Frieden in mein Leben geweht.
Darf ich Gott vielleicht einfach mehr einladen, damit er meine Fragen wegschubsen und sich Raum schaffen kann? Wenn Reinhard Mey das kann, kann Gott das doch längst! Aber irgendwie fällt es mir mit Gott schwerer. Zugleich weiß ich, dass er mit mir ist, auch wenn ich mich gerade schwertue. Und dass sich die Zeiten auch wieder ändern werden.
Empfehlung für eine Tochter
Als ich neulich Zeit hatte, habe ich mich gefragt: Angenommen, ich hätte eine Tochter und sie wäre in dieser Situation, was würde ich ihr dann mit auf den Weg geben? Vielleicht würde mir Gott genau das mit auf den Weg geben wollen?
Bei meinen schriftlichen Überlegungen bin ich am Ende bei zwei Worten hängengeblieben: „Lieb dich.“ – Lieb dich? – Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr spüre ich, dass diese Aufforderung etwas trifft, mich an etwas erinnern will, Gott mich an etwas erinnern will.
Lieb dich. Verlange nicht von dir, dass du wie eine Maschine funktionierst. Auch nicht für mich. Du bist ein Mensch. Und du sollst Mensch sein mit all deinen Hoffnungen, Fragen und Zweifeln. So habe ich dich geschaffen.
Wie liebt man sich? Indem man sich umarmt mit allem, was da ist. Ja, zwischen Gott und mir ist gerade nicht der heißeste Draht. Ich nehme es an. Ja, ich habe gerade viele Fragen, die Gott immer wieder aus meinem Leben kicken. Ich nehme es an. Ja, ich hätte gern mehr Sehnsucht nach Gott. Ich nehme es an. Und ich versuche, mich so zu lieben, wie ich gerade bin.
Lieb dich. Gott tut es auch.
Gott tut es.
Es ist erschreckend, wie wenig ich mich liebe. Wie oft ich mich gern anders hätte. Wie häufig ich denke: „Du solltest lieber …“
Gott ist besser im Lieben als ich. Zum Glück! In seiner Liebe bin ich sicher. So suboptimal, begrenzt und fehlerhaft wie ich bin. So kopflos und kopfvoll.
„Lieb dich. Ich tu es auch.“
Foto: pixabay | Michaela
Anderes aus der Kategorie „Gottesbeziehung“

Stört mich die Abhängigkeit von Gott?
Stört mich die Abhängigkeit von Gott? Heute Morgen schoss mir die Frage durch den Kopf.… Weiterlesen »Stört mich die Abhängigkeit von Gott?

Gedrückte Daumen, gefaltete Hände
Der Brustkrebs verändert meine Perspektive. Plötzlich spüre ich, wie sehr mich Gott hält – und… Weiterlesen »Gedrückte Daumen, gefaltete Hände

Stille Zeit – nehmen, was ich brauche
Was mache ich, wenn mich der Bibeltext in meiner Stillen Zeit nicht anspricht? Gott gibt… Weiterlesen »Stille Zeit – nehmen, was ich brauche

Ich bin Stephanie
und ich liebe es, schreibend und wandernd Gottes Welt zu entdecken. Ins Vertrauen bin ich staunend und stolpernd unterwegs … Mehr über mich findest du hier.