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Morgenfahrten

Zurzeit bin ich morgens unterwegs zu meinen Bestrahlungsterminen. Meine gewohnte Morgenroutine gibt es nicht. Dafür Unterwegs-Gedanken.

Morgenzeit

Es ist Dienstag um 7:30 Uhr. Wie schon die letzten Tage sitze ich im Wartezimmer der Strahlentherapie. Mir ist der frühe Termin recht, denn dann bin ich halb neun wieder zu Hause – habe den Tag noch vor mir.

Außerdem genieße ich es, mich morgens von meinem Fahrer in die Dämmerung fahren zu lassen. Wenn der Tag die Nacht sanft aus dem Weg schubst, der Mond sich noch am Himmel hält, der letzte Schleier der Nacht noch manches verbirgt. Ich mag diese Zeit.

Zugleich fehlt sie mir. Denn es ist eigentlich meine Morgenzeit, in der ich den Tag ganz für mich habe. Manchmal mache ich um diese Zeit Sport oder einen Spaziergang, danach lese und schreibe ich, verbinde mich mit Gott. Es ist buchstäblich meine stille Zeit.

Jetzt sitze ich um diese Zeit im Auto. Im Wartezimmer. Liege auf einer Liege unter einem großen, dicken weißen Ring, der nach Science-Fiction aussieht, in undefinierbaren Abständen surrt und keine Minute lang seine Strahlen in meine rechte Brust schickt.

Wenn die Schwestern daran denken, drehen sie mir entspannende Musik auf. Heute haben sie es vergessen. Ich bin die Erste. Aber die Ruhe hat auch etwas. Ich versuche an etwas Schönes zu denken, liege in Gedanken auf einer Bergwiese in der Sonne. Manchmal bete ich auch kurz.

Ein Los-Text

Vorhin im Wartezimmer habe ich in meine Losungs-App reingeklickt. Gerade mache ich das wieder öfter. Es ist die perfekte Wartezimmer-Beschäftigung. Die letzten Tage hat mich keiner dieser Texte besonders berührt. Ist es heute vielleicht anders?

„Du wirst erfahren, dass ich der HERR bin, an dem nicht zuschanden werden, die auf mich harren.“ Jesaja 49,23 – Vielleicht bin ich heute empfänglicher, offener, bereiter? Der Text fällt mir ins Herz.

„Du wirst erfahren …“

Ich werde es erfahren. Ich werde es spüren, sehen, schmecken. Ich bin nicht so verloren, wie ich mich gerade in diesem Wartezimmer oder unter diesem Linearbeschleuniger fühle.

„… nicht zuschanden werden“ – Die Krebszellen sollen zuschanden werden und das, was davon noch übrig ist. Deshalb habe ich diese Termine. Aber ich soll nicht zuschanden werden.

„… die auf mich harren“ – harre ich auf Gott? Gestern Abend dachte ich, Gott und ich leben gerade nebeneinander her. Es ist im Moment nicht viel Sehnsucht nach ihm in mir, mein stiller Morgen zu Hause fehlt mir. Trotzdem weiß ich: Er ist da.

Berge der Zukunft

Die vergangenen Wochen und Monate haben mich müde gemacht. Gerade habe ich keine Lust mehr Fragen zu stellen, zu recherchieren, Entscheidungen zu treffen. Gerade bin ich einfach nur im Jetzt. Genieße die Ruhe und das „nur Bestrahlungen“.

Das Danach mit den Medikamenten schiebe ich wie einen Berg vor mir her. Ich mag nicht daran denken. Nicht mehr. Noch nicht. Bei diesem Berg muss ich erst mal ankommen.

Die letzten Tage habe ich wieder an meine Alpentour gedacht. Fünf Wochen war ich unterwegs. Fünf Wochen dauert die Bestrahlung. Lieber würde ich noch mal über die Alpen wandern, als täglich in den Sonnenaufgang zu fahren. Was alles in fünf Wochen passieren kann.

Und doch, Bergen nähert man sich Schritt für Schritt. Die letzten Berge sind bei den ersten noch nicht wichtig. Und wenn man dann wirklich an den letzten Bergfüßen steht, weiß man, was vor einem liegt, kann Wege sehen, notfalls querfeldein gehen oder auch im Anstieg ausruhen, wenn man es braucht.

„Du wirst erfahren, dass ich der HERR bin, an dem nicht zuschanden werden, die auf mich harren.“

Für heute will ich es glauben. Will es als mein Wort von Gott nehmen. Danke, Gott.

Foto: pixabay | Christian Birkholz


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Ich bin Stephanie

und ich liebe es, schreibend und wandernd Gottes Welt zu entdecken. Ins Vertrauen bin ich staunend und stolpernd unterwegs … Mehr über mich findest du hier.