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Auf in die Tuxer

Inzwischen liegt auch schon die erste Solo-Nacht hinter mir. Der Aufstieg zur Voldertalhütte gestern war nett, aber mich nerven die breiten Wirtschafts- und Mountainbikewege. Es kommt mir fast so vor, als wären die schmalen Wanderwege out. Schade! Dabei laufen sie sich so viel schöner. Der Weg gestern ging immer am Wasser lang. Das Plätschern hatte etwas Sanftes. Das Laufen war so gar nicht beschwerlich, was mich gefreut hat. Immer noch sehe ich jede Strecke als Test für die kommenden Etappen. So richtig loslassen kann ich noch nicht.

Ich merke gerade, ich brauche Ruhe, suche keinen Trubel oder Kontakt. Das Willkommen auf der Voldertalhütte gestern war total nett, der Hüttenwirt entspannt, obwohl die Hütte mit zig Mountainbikern gefüllt war. Nach fünf Minuten standen wir schon zu zweit im 20-Bettenlager und ich freute mich über seine Bemerkung: „Es ist nur noch eine andere Dame da.“ Es gibt sogar einen Lagerbalkon, neben dem ich schnell meinen Schlafsack ausrolle. Die Hütte liegt genau am Wildbach. Das Fenster wird heute Nacht zubleiben; ich höre das Rauschen durch die Wand. Den Balkon werde ich abends noch ausgiebig genießen.

Ich suche mir ein stilles Plätzchen abseits der Hütte bei den Kühen. Der Blick geht direkt aufs Karwendel. Erst abends werden sich die Gipfel zeigen. Ich sitze auf der Wiese, genieße die Ruhe, schreibe seit langem mal wieder in mein Buch. Ganz ungewöhnlich für mich, habe ich bisher vor allem ins Handy getippt. Aber es hat irgendwie gepasst. Jetzt merke ich: Papier ist dran! Für manches braucht man einfach Papier.

Die Ruhe tut mir gut. Die letzten Tage war viel los und wenn man zu zweit unterwegs ist, gibt es auch immer was zu erzählen. Ich merke, jetzt bin ich auf mich geworfen. Jetzt gibt es nur noch mich und mein Buch. Und Zeit!

Die Zeit, die ich habe, kommt mir grad weit vor. Ich sitze da, habe kein Programm, muss nichts, die Hütte habe ich erreicht. Irgendwann essen und ins Bett. Was macht man mit soviel Zeit? Wird mir die Zeit zu lang werden? Einfach nur sitzen und gucken. Schreiben. Die nächsten Tage und Wochen werden anders werden. Es stört mich nicht, wird mich aber wohl auch herausfordern.

Heute geht’s zur Lizumer Hütte. Gerade sitze ich auf der Steinkaseralm. Die Kuhglocken bimmeln, unterm Stalldach stehen Milchtöpfe. Ich bin oberhalb der Baumgrenze, werde gleich weiterziehen. Heute ist es kühl und wolkig, zum Laufen ideal, zum Rumsitzen eher nicht. Ich habe vorhin noch mein Stirnband rausgekramt. Der Wind ist frisch.

Ich rechne nicht damit, in den nächsten Tagen Netz zu haben. Ich bin zu weit ab vom Schuss. Aber ich bin gespannt, wie es da „oben“ sein wird. Menschen. Wege. Tiere. Ich. Aber jetzt bin ich grad im Moment angekommen.


Stephanie Kelm

ist verheiratet und zu Hause im Taunus. Sie liebt es, schreibend und wandernd Gottes Welt zu entdecken und ist staunend und stolpernd unterwegs ins Vertrauen.


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