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Alles unter Kontrolle

Ich fürchte mich vor Tagen, an denen ich in der Bibel lese – und nichts passiert. Nichts. Kein Aha-Erlebnis. Kein Wow-Moment. Nicht einmal ein Autsch. Manchmal hält mich diese Angst davon ab, die Bibel morgens überhaupt zur Hand zu nehmen. Nicht sehr fromm, ich weiß. Und dann merke ich, wie ich Gott schiebe. Ins Morgen. Auf Tage, wo ich Leere besser aushalten kann. Oder berührbarer bin.

Manchmal bleibt meine Bibel tagelang zu. Und der Gedanke ‚Ich müsste mal wieder …‘ setzt sich leise aber stetig in meinen Nacken fest. Parallel dazu steigt die Angst, dass ich im Nichts versinke, wenn ich jetzt die Bibel aufschlage. Weil es wieder zu still bleibt, mir nichts entgegenspringt.

So auch heute Morgen. Die letzten Tage wie beschrieben. Jetzt sitze ich vor meiner Bibel. Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Ich habe zu oft irgendwo angefangen. Ich gebe mir einen Ruck und schlage die Psalmen auf. Psalmen gehen manchmal besser als lange Bücher. Wenn man die richtigen Psalmen erwischt. Heute hat Gott wohl Erbarmen mit mir. Ich lande bei Psalm 11. Von David.

„Ich traue auf den Herrn“, so geht es los. Vielleicht habe ich doch den falschen Psalm, denn das mit dem Vertrauen finde ich schwierig. Manchmal frage ich mich, wie Gott überhaupt an mich herankommen will. Bei mir muss er Experte sein, braucht gute Strategien. Und er braucht Alternativen, wenn ich sie ihm mal wieder durchkreuze, und wegrenne, weil ich Nähe so schwer aushalte.

David traut auf den Herrn und lässt sich in seinem Vertrauen nicht beirren. Es klingt so leicht, doch David hatte es nicht leicht. Offensichtlich befand er sich in einer schwierigen Situation: Menschen raten ihm zur Flucht, zweifeln daran, dass gute Bemühungen Frucht bringen. „Flieh lieber!“ Dem Tipp zum Wegrennen wäre ich vermutlich schnell nachgekommen. Nicht so David. Fast gelassen schreibt er daraufhin: „Der Herr ist in seinem heiligen Tempel.“

„Der Herr ist in seinem heiligen Tempel.“ Es ist fast, als drehte sich die Erde mit diesem Vers ein bisschen langsamer. Im Psalm kommt Ruhe auf. Und in mir. „Der Herr ist in seinem heiligen Tempel.“

Alles ist unter Kontrolle.

Alles ist gut.

Wie schafft David es, diese Ruhe zu bewahren, Gottes Frieden festzuhalten, sich so in Gott zu verankern? Wie schafft er es, sich in diesem Sturm, und da, wo das Leben zum Wegrennen ist, am „Der Herr ist in seinem heiligen Tempel“ festzuhalten?

Wenn ich das könnte … Das muss dem Leben doch eine echte Ruhe geben.

Mich nicht beirren lassen. Nicht auf jeden Gedanken, jede Angst, jeden Selbstzweifel, jeden gut gemeinten Rat aufspringen. Dinge sein lassen. Meinen Kurs weitergehen. Gott trauen.

„Ich traue auf den Herrn.“

An anderen Psalmen Davids sieht man, dass er nicht immer so gelassen war. Auch bei ihm gab es emotionales Auf und Ab und neben Freude und Dank auch Verzweiflung und Wut. Und doch findet er immer wieder zurück ins Vertrauen.

Der Herr ist in seinem heiligen Tempel. Das ist die Realität. Er ist in dieser Welt, hat alles unter Kontrolle, auch wenn es nicht so aussieht und manchmal einfach nur zum Wegrennen ist. Und er ist inmitten meines Chaos, meiner Leere, meines Unberührtseins, meiner Angst.

Der Herr ist da. Er ist.

Foto: pixabay | Christian S


Stephanie Kelm

ist verheiratet und zu Hause im Taunus. Sie liebt es, schreibend und wandernd Gottes Welt zu entdecken und ist staunend und stolpernd unterwegs ins Vertrauen.


5 Gedanken zu „Alles unter Kontrolle“

  1. Liebe Steffi,

    schön wie Du schreibst, dass David immer wieder ins Vertrauen zurückfand. Das ist wohl der einzige Ort, an dem wir das Leben mutig und bewusst leben können — im Vertrauen.

    „Der Herr ist in seinem Tempel!“ Wenn es stimmt, was Paulus sagte, dann bist Du SEIN heiliger Tempel – und ich und all die anderen Menschen auch. Und wo ist Gott? In seinem heiligen Tempel – in Dir und in mir :-). Unbegreiflich, aber vielleicht doch wahr.

    Herzlichen Dank für Deine anstoßenden Gedanken.

  2. So viel Denken und Fühlen wie ich – ER hat sich etwas bei unserm telefonischen „Zueinanderfinden“ gedacht. Und das hat ER ausgezeichnet gemacht!! Praise the Lord! Herzlichst Henriette

  3. Liebe Stephanie, lese gerade Gedanken von Annette Schulz, vielleicht passend?
    „Gott gebe dir Geduld für die kleinen Schritte auf deinem Weg. Gott schenke dir langen Atem durchzuhalten, wenn es langsamer vorangeht, als du es dir wünscht. Gott segne dich mit dem Vertrauen, dass jeder Weg, jedes Tempo dich ans Ziel bringt … zum Leben in Fülle.“

Danke für deinen Kommentar.

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