Ein guter Christ sollte in der Bibel lesen, so dachte ich. Dann geriet ich in eine Krise, in der Bibellesen nicht mehr ging. Denke ich heute anders?
Ich kann nicht in der Bibel lesen, was nun?
Früher hätte ich gesagt: „Bibellesen ist eine Frage des Willens. Geht nicht, gibt‘s nicht.“ Vor einigen Jahren geriet ich mit meinem Burn-out in eine Glaubenskrise und konnte nicht mehr Bibellesen. Was nun?
Dieser Artikel ist ein persönlicher Artikel. Vielleicht geht es dir anders als mir. Vielleicht ist Bibellesen für dich ebenfalls eine Herausforderung.
In diesem Blogbeitrag erzähle ich, was mir geholfen hat. Im zweiten Teil geht es darum, wie ich praktisch aus diesem Dilemma herausgefunden habe und wie ich damit umgehe, wenn ich heute feststelle, dass ich einen Bogen um die Bibel mache.
Der Hintergrund meiner Frage
In der Zeit meiner Krise sagte mein fromm trainierter Verstand zwar: „Lies! Schlag doch die Bibel einfach auf! Sie ist Gottes Wort für dich“, doch ich kam einfach nicht mehr an dieses Buch heran. Ich spürte sogar körperlich einen Widerstand in mir.
Ich hatte verinnerlicht: Ein guter Christ liest in der Bibel. In der Bibel ist die Wahrheit zu finden (Joh 17,17). Die Bibel ist Kraft und Trost (Ps 19,8). Sie ist Richtschnur für alles (Ps 119,105). Gott selbst redet durch die Bibel zu mir (2 Tim 3,16) – Doch diese Argumente und Texte verstärkten mein Dilemma nur. Zumal ich Bibellesen früher durchaus so erlebt hatte!
Angst, falsch und kein Christ mehr zu sein, baute sich in mir auf. Durch meinen Kopf zischten Argumente wie: Satan versucht, dich vom Bibellesen abzuhalten, und du hörst auf ihn! Wenn du nicht mehr in der Bibel liest, wendest du dich von Gott ab!
Inzwischen sind sechs Jahre vergangen. Bibellesen ist noch immer eine Herausforderung für mich. Phasenweise fühle ich mich sehr beschenkt dabei. Zu anderen Zeiten werden alte Ängste wach. Wie habe ich zur Bibel zurückgefunden? Und wie gehe ich mit schwierigen Phasen um?
Vorab vielleicht: Für mich waren Seelsorge und Therapie in dieser Zeit eine große Stütze (hier meine Geschichte). Aus manchen Denkmustern hätte ich mich nicht selbst befreien können. Wenn dieses Thema deins ist: Hab den Mut, dich jemandem zu öffnen, dem du vertraust!
Schritt 1 – Meine Geschichte mit der Bibel verstehen
Jedes Verhalten hat einen Grund. Jede emotionale Reaktion hat eine Geschichte. Ich empfinde und reagiere aufgrund meiner Geschichte und meiner Persönlichkeit, wie ich es tue. Das zu verstehen, war für mich ein wichtiger Schlüssel.
Meine Geschichte mit der Bibel erklärt, warum mein Dilemma so groß war. Vier Punkte als Beispiel:
- Ich bin christlich aufgewachsen. Meine Großeltern und Eltern lasen regelmäßig die Bibel. Die Bibeln unserer Familie waren zerlesen, angestrichen, voller Notizen. Bibeln waren Schätze. Sobald ich lesen konnte, hatte ich meine eigene Bibel und las selbst darin.
- In der Freikirche, in der ich großgeworden bin, wurde die Bibel stets hochgehalten. Es war wichtig, seinen Glauben biblisch begründen zu können. Vom Kindergottesdienst bis zu Bibelseminaren – überall spielte die Bibel mit ihren Geschichten eine große Rolle.
- In mir waren Glaubenssätze verankert, die mich in meiner Krise ins Dilemma stürzten. Ein guter Christ liest Bibel – was, wenn nicht? Gott liebt Menschen, die sein Wort studieren – und die anderen? Ohne Bibel geht man in die Irre – hat Gott andere Wege?
- Zu all diesen Faktoren kam dazu, dass ich ein Mensch bin, der pflichtbewusst ist, sensibel und alles richtig machen will. Ich will ein guter Christ sein! Ich will Gott gefallen, ihn nicht enttäuschen. Ich will Gott nicht verlieren.
Diese Gründe und mein damaliges Bild von Gott führten dazu, dass es für mich ein echtes No-Go war, als Christ nicht in der Bibel zu lesen. Das ging einfach nicht!
In mein Dilemma hatten mich auch negative Erfahrungen mit der Bibel gebracht. Manche Texte machten mir Angst: Texte, wo Jesus die Pharisäer rundlaufen lässt (Wie geht er dann erst mit mir um?), wo er fordert und tadelt (den Knecht, der sein Talent vergräbt), wo er über das Ende der Welt redet (nein, ich will das nicht erleben und nicht verfolgt werden).
Ich wusste zwar: Gott ist ein liebender Gott. Ich hatte sogar Theologie studiert. Zugleich empfand ich Gott als jemanden, der forderte und Anstrengung, Disziplin und Opfer sehen wollte. In einer Lebensphase, in der ich zutiefst bedürftig war, hielt ich dieses Gottesbild nicht länger aus.
Es war daher nachvollziehbar, dass ich nicht mehr Bibellesen konnte. Mein Körper zog die Notbremse, versuchte mich zu schützen. Als ich das verstand, wurde mein Denken freier und der Satz „Das darf nicht sein, ich muss in der Bibel lesen“ begann seine Macht über mich zu verlieren.
Schritt 2 – Die Situation annehmen, Bewertungen stoppen
Verständnis für mich zu entwickeln war ein erster wichtiger Schritt. Als Zweites ging es für mich darum, meine Bewertungen ausfindig zu machen und zu hinterfragen.
Ich war deshalb kein schlechter Christ, ich war auch nicht abgefallen oder verloren. Wenn ich nicht in der Bibel las, hieß das auch nicht, dass ich mich von Gott abwandte oder nichts mehr von ihm wissen wollte. Ich konnte einfach nur nicht Bibellesen. Das war der Fakt.
Mein innerer Richter meldet sich trotzdem immer wieder, säte Zweifel, versuchte mir einzureden, dass ohne Gottesdienst und Bibellesen … Und Gott würde doch wollen, dass … Und ich müsste mich einfach mehr anstrengen, über meinen Gefühlen und Bedürfnissen stehen …
Ich musste lernen, dass ich vor Gott nichts muss. Und die Situation annehmen.
Die Situation war nicht ideal. Ich wünschte sie mir anders. Aber ich änderte nichts daran, indem ich stur an einem Ideal festhielt, das mich kaputt machte. Ich musste die Realität anerkennen: Ja, ich hatte ein Problem mit der Bibel und mit Gott.
Der Prozess war schmerzhaft. Ich wollte kein Problem mit Gott haben! Ich wollte keine Krise. Ich wollte einfach wieder normal glauben. Aber ich hatte ein Problem. Mein Christsein und meine Vorstellung von Gott hatten mich kaputt gemacht.
Schritt 3 – Meine Gefühle wahrnehmen, auf mich hören
An dem Punkt, als ich mir eingestehen musste: Ja, ich habe ein Problem!, begann ich auf meinen Körper zu hören. Was ich spürte, erschreckte mich, es überraschte mich und es forderte mich heraus.
Ich fühlte in mir eine tiefe Trauer, weil ich das Bedürfnis hatte, mich vor dem Wort zu schützen, das mir doch eigentlich helfen wollte. Ich war wütend, weil mein Christsein nicht funktionierte. Ich war enttäuscht von mir und meinem gescheiterten Bemühen, ein guter Christ zu sein. Ich hatte Angst, Gott zu verlieren. Ich war beschämt, weil alle anderen doch in der Bibel ihren Schatz fanden, nur ich nicht.
Diese Gefühle zu formulieren entlastete mich. Ich sah: Ich will ja eigentlich! Ich will Gott, die Bibel … Ich will! Ich kann im Moment nur nicht.
Mein Seelsorger sagte mir damals: Solange du Sehnsucht nach Gott hast, bist du bei ihm, bist du nicht verloren.
Gefühle können Angst machen. Für mich als Kopfmenschen war die Heftigkeit erschreckend. Ich hatte Angst davor, nie wieder an die Bibel heranzukommen, Gott zu verlieren. Ich wusste so viel! Zu viel. In diesem Moment war mir das Wissen nur nicht hilfreich, sondern es drehte mir eher einen Strick.
Aber die Sehnsucht war da. Und damit Hoffnung. Für mich war sie zu diesem Zeitpunkt kaum greifbar. Mein Gegenüber hatte sie aber. Und diese Zuversicht hat mich auch ein Stück getragen.
Schritt 4 – Mich nicht zwingen und loslassen
Die Sehnsucht war da. Immer wieder stand ich in der Versuchung, mich zum Guten zu zwingen. Immer noch war da: Ich muss doch … Das muss doch irgendwie gehen … Es ging doch früher auch … Bibellesen ist doch auch eine Angewohnheit. Man hat nun mal nicht immer Lust.
Als disziplinierter Mensch musste ich jedoch erkennen, dass Disziplin nicht alles regelt. Disziplin kann auch den Todesstoß versetzen. Wachstum braucht Zeit und Raum. Druck und Zwang führen selten dazu, dass etwas heilwerden kann.
Ich wollte, dass es wieder heilte. Ich wollte es nicht machen, irgendwo hineinquetschen, zur Pflicht erklären. Ich wollte, dass etwas neu in mir und zwischen mir und Gott wuchs. Und mein Körper gab mir den Weg klar vor. Immer wieder sagte er: Nein, noch nicht. Es ist noch nicht so weit.
Für mich als Macherin war das hart. Ich wollte so gern machen. Stattdessen hatte ich in punkto Bibellesen nichts unter Kontrolle.
Nichts. Da war nur dieser innere Widerstand, inzwischen mit Verständnis gepaart. Aber ich wollte mich nicht nur verstehen, ich wollte, dass sich etwas änderte. Doch ich konnte es nicht machen. Ich musste loslassen.
Dabei fühlte ich mich nackig und hilflos. Ich hatte Angst. Denn was wäre, wenn sich an meinem Problem nichts änderte? Was wäre, wenn ich auch in fünf oder zehn Jahren noch keine Lust auf die Bibel hätte?
Ich saß im Dunkel und strapazierte meine einzige Verbindung, die ich noch zu Gott hatte: Ich schrieb ihm seitenweise Briefe. Zurück kam nicht viel. Gefühlt verschluckte mein Dunkel alles. Was mich hielt, waren die Hoffnung, die Gespräche und das „Wohin sonst?“ – Gott war für mich trotz allem immer noch die beste Lösung.
Zusammenfassung und Ausblick
Diese ersten vier Schritte waren für mich notwendig, um herauszufinden: Was mache ich jetzt? Wie kann ich mir helfen und zurückfinden zur Bibel als Schatzkiste? Auch musste ich mich fragen: Welche Rolle soll die Bibel in meinem Leben als Christ spielen? Und worum geht es Gott überhaupt?
Um diese Fragen geht es im zweiten Teil des Beitrages.
Wie ging es dir mit diesem Beitrag? Ist Bibellesen für dich auch eine Herausforderung? Wie gehst du damit um? Schreib mir! Ich freue mich auf deine Rückmeldung.
Fotos: pixabay | Pexels (Titel), Volkmar Gubsch (Igel), Peter Nguyen (Schirm), Congerdesign (Pflanze)
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Stephanie Kelm
ist verheiratet und zu Hause im Taunus. Sie liebt es, schreibend und wandernd Gottes Welt zu entdecken und ist staunend und stolpernd unterwegs ins Vertrauen.