Zum Inhalt springen

Eine von 70.000

In Deutschland erhalten jedes Jahr 70.000 Menschen die Diagnose Brustkrebs. In diesem Blogbeitrag erzähle ich meine Geschichte mit Gott. Und dem Krebs.

Vielleicht hast du bemerkt, dass die letzten Blogbeiträge etwas schwerer waren. In meinem Leben ändert sich gerade einiges und manches musste erst mal sacken. Aber dieses Stolpern gehört wohl auch zum Leben und ich kann es unmöglich auslassen auf diesem Blog. Also erzähl ich’s dir.

Vor drei Wochen verdichtete sich bei mir von Tag zu Tag der Verdacht auf Brustkrebs. Montags ging ich noch mit einem 50:50 von der Mammographie heim, donnerstags bei meiner Frauenärztin waren es schon 80 Prozent und fünf Tage später bei der der Biopsie war sich die Ärztin schon sicher, dass …

Und plötzlich ist man hineingeworfen und der Boden ist weg. Stolpern wäre ja noch nett, aber das ist freier Fall. Ich weiß, was Krebs anrichten kann, auch Brustkrebs. Ich weiß, was aggressive Tumore machen. Ich kenne viele nicht sehr ermutigende Berichte über Chemotherapien – und über Rezidive und Metastasen.

Bin ich da jetzt wirklich mittendrin?

Ich will nicht!

In Deutschland erhalten jedes Jahr 70.000 Menschen die Diagnose Brustkrebs, Frauen wie Männer. Im Laufe ihres Lebens erkrankt eine von acht Frauen daran. Jetzt bin ich eine davon. Und der Brustkrebs wird Teil von mir werden, sein, bleiben. Mich verändern. Auch wenn ich das nicht will.

Nach der Besprechung bei der Biopsie ist erst einmal nur klar: Krebs. Mehr nicht. Dann heißt es, eine Woche Warten auf den Befund. Zum einen bin ich froh, dass ich den Eingriff geschafft habe, zum andern wandern meine Ängste jetzt mit meiner Phantasie herum und ich kriege sie manchmal nur schwer eingefangen. Ich sehe mich schon im Hospiz, frage mich: Bin ich rechtzeitig dran, oder ist es zu spät?

Meine Schwester schickt mir ein Malbuch mit 365 Verheißungen Gottes. Es heißt „Ich will dich segnen“. Ich beschließe, ab sofort einmal am Tag zu malen, die Texte auf mich wirken zu lassen, zu gestalten. Wenn ich das Buch ausgemalt habe, bin ich vielleicht schon durch. Es hat 250 Seiten, 125 Bilder.

Mir ist klar, dass jetzt ein Weg vor mir liegt. Einen, den ich eigentlich nicht gehen will. Ich will mir meine Brust nicht zerschneiden lassen. Damit wollte ich doch eigentlich immer Kinder stillen! Ich will keine Chemo. Ich bin doch froh, dass es mir seit meinem Burnout endlich wieder gutgeht!

Inzwischen haben wir Freunde und Verwandte informiert und unsere Gemeinden. Viele beten. Ich habe den Eindruck, ich spüre den Unterschied.

Es tut gut zu wissen, dass andere beten, auch wenn ich es gerade nicht so kann.

Gott hilft, Gott hilft nicht

Ich bin nicht sauer auf Gott. Eher auf mich und darauf, dass mein Lebensstil der letzten Zeit nicht der beste war. Viel Stress, zu viel Süßkram, zu viel Handy … Bin ich selbst dran schuld? Ich weiß, die Gedanken sind nicht hilfreich. Dennoch schleichen sie sich am Anfang immer wieder ein.

Wenn ich bete, bete ich nicht kühn. Manche beten um Heilung. Ich bete, dass ich gut durchkomme, wenigstens einen „netten“ Krebs habe (es gibt viele verschiedene Arten von Brustkrebs) – und dass ich keine Chemo brauche. Um Heilung zu beten, scheint mir vermessen. Es laufen da draußen so viele Leute mit Brustkrebs und Krebs und fiesen Krankheiten herum, warum sollte ausgerechnet ich …?

Immer wieder ploppt auch der Gedanke hoch, dass Gott uns ja beim Kinderwunsch auch nicht geholfen hat. Ich merke, ich schleppe ihn noch mit. Werfe ich es Gott vor? Ich weiß es nicht, aber enttäuscht hat er mich in dem Punkt in jedem Fall. Was, wenn das jetzt wieder passiert?

Und dann ist da der Gedanke an meine Alpenüberquerung zu Fuß vor zwei Jahren. Damals hat mir Gott fünf Wochen auf seine Weise gezeigt: Ich bin da. Auf seine Weise. Und wie sehr musste ich mich an seine Weise gewöhnen! Damals hatte ich am Ende sogar den Eindruck, es macht Gott Spaß, seinem kleinen Mädchen den Traum mit der Alpenüberquerung zu erfüllen.

Mich an dieser Erfahrung festzuhalten, hilft mir gerade. Und ich denke: Wenn Gott mich auf dieser Tour begleitet, bewahrt und sich um mich gekümmert hat, wie viel mehr dann auf der Reise, die jetzt vor mir liegt.

Von Untersuchung zu Untersuchung

Aus der Befundbesprechung eine Woche nach der Biopsie gehen mein Mann und ich erleichtert. Es ist „netter“ Krebs. Der Tumor wächst langsam und ist hormonell. Das ist gut! Die Ärztin ist zuversichtlich, erwähnt sogar, dass es vielleicht keine Chemo braucht. Wenn die weiteren Ergebnisse gut sind.

Ist das schon die Gebetserhörung?

Das Thema Chemo ist noch nicht vom Tisch. Noch ist nicht sicher, ob in meinem Körper wirklich keine Metastasen wachsen und die Lymphknoten nicht befallen sind. Trotzdem, die Zuversicht der Ärztin tut gut, springt über, schubst meine Angst für den Moment zur Seite. Wie befreiend!

Ich lebe von Untersuchung zu Untersuchung. Mit jeder gibt es neue Klarheit, die guttut. Klarheit ist besser als „Alles kann sein“. Meine Phantasie neigt zum Wandern. Aber jede Klarheit bringt auch neue Fragen mit. Und wirft mich tiefer in das Thema hinein, mit dem ich mich mehr und mehr vertraut mache.

Gott zeigt sich anders

Gott geht grad nur in kleinen Dosen. Die vielen Buchstaben in meiner Bibel erschlagen mich. Ich weiß gar nicht nicht, wo ich anfangen soll, will mir auch nicht irgendetwas herauspicken. Das Verheißungsbuch zum Ausmalen hilft mir. Und die Losungen. Einfach einzelne Bibelverse. Überschaubar. Leicht verdaulich. Gut zum Festhalten.

Bin ich Gott näher als vorher? Die frommen Ausflüge in meinem Kopf sind grad selten. Stattdessen hat mich das Leben, haben mich die Termine, hat mich der Tumor in meiner Brust. Es ist fast wie bei meiner Alpentour. Da wollte ich auch tolle Gedanken mit Gott denken, ihn ganz nah bei mir spüren. Und es ging nicht.

Wie damals merke ich aber: Gott begegnet mir anders.

Die Mammographie hatte ich schon nach vier Wochen (manche warten Monate darauf) und konnte sie sogar noch um eine Woche nach vorn schieben. Die Ärzte und Schwestern im Brustzentrum arbeiten alle am Anschlag, aber kümmern sich, telefonieren, legen Termine nach vorn, nehmen sich Zeit, obwohl sie keine haben. Ich bin keine Nummer dort. Den Befund vom CT gibt mir meine Ärztin gestern Nachmittag telefonisch durch, obwohl wir eigentlich erst heute den Termin haben. Und sie freut sich mit mir, dass das CT gut aussieht, keine Metastasen zu sehen sind. Gott ist da. Er managt. Und ich steh wie bei meiner Alpenüberquerung auch immer wieder staunend daneben.

Treu im Auf und Ab

Manchmal kickt meine Angst rein. Das CT war so ein Angstpunkt. Was, wenn der Tumor schon gestreut hat? Gerade habe ich auch ein bisschen Husten und Brustkrebs streut gern in die Lunge. Sind das Zeichen oder ist es etwas anderes? Seit gestern weiß ich: Es ist etwas anderes. Es gibt keinen Zusammenhang. Wieder eine Last weniger.

Gerade ist es ruhig in mir. Klarheit bezüglich der Lymphknoten wird erst die OP Mitte Dezember bringen. Ich hoffe und bete weiter. Und nach der OP wird es weitere Therapien benötigen. Nur „rausschnippeln“ funktioniert nicht. Immer wieder höre ich: „Brustkrebs ist eine systemische Erkrankung. Sie betrifft den ganzen Körper.“

Die letzten Wochen waren turbulent. Oft bodenlos. Aber Gott hatte mich irgendwie am Schlafittchen, auch wenn es für mich nicht sehr komfortabel war. So langsam kriege ich wieder Boden unter den Füßen, weiß die nächsten Schritte, kenne die nächsten Berge. Und vielleicht muss ich auch nicht mehr wissen.

„Ich bin dir treu wie am ersten Tag.“ (Jeremia 31,3 GNB) Das ist eine der Verheißungen aus dem Malbuch. Sie steht zwar nur auf Seite 14, über die ich längst drüber bin, aber sie ist mit mir weitergewandert. Immer wieder kehre ich gedanklich dahin zurück.

Der Text berührt etwas in mir. Er spricht in mein Heute.

„Ich bin dir treu wie am ersten Tag.“

Jeremia 31,3 GNB

Nein, das ist keine riesige Zusage für die Zukunft und nicht die Verheißung, dass ich 90 werde. Gern würde ich es werden! Aber ich merke, es ist mir wichtig, dass Gott heute bei mir ist. Heute. Und diese Zusage habe ich.

Zum Schluss

Danke, dass du dich bis hierher durchgelesen hast! – Dieser Blog wird kein Brustkrebsblog werden. Das Thema wird aber die nächsten Wochen und Monate einfach präsent sein. Ich bin gespannt, was diese Reise mit mir und Gott macht. Und will dich in diesem Blog auch weiterhin dabei mitnehmen. Staunen und stolpern – dabei soll es bleiben.

Ich versuche auch weiterhin, regelmäßig zu schreiben, aber vermutlich wird das nicht immer gelingen oder zumindest nicht immer im festen Donnerstagsrhythmus. Ach so, und wenn du magst: Ich freue mich über jedes Gebet. Danke dir. Bis bald!

Foto: pixabay | wal_172619


Anderes aus der Kategorie „Stolperfallen“


Ich bin Stephanie

und ich liebe es, schreibend und wandernd Gottes Welt zu entdecken. Ins Vertrauen bin ich staunend und stolpernd unterwegs … Mehr über mich findest du hier.

4 Gedanken zu „Eine von 70.000“

  1. Liebe Steffi,
    gerne will ich für Dich beten und Dich in meinem Herzen begleiten. Dass Gott Dich enttäuscht hat, kann ich gut verstehen – oder sind es mehr die Erwartungen und Wünsche, die enttäuscht werden?
    Wenn es Ihn gibt, dann bist Du ein Teil von Ihm, ein göttlicher Ausdruck von Ihm. Er ist in Dir und Du lebst, handelst und bist in Ihm. Der Krebs, die Sünde, der Zerbruch ist in Ihm. Du bist und wir sind von Anfang an nicht getrennt von Gott und das wird auch in unserer menschlichen Zukunft nicht sein. Deshalb ermutige ich Dich, dem Leben und dem Leben in Dir, Deinem Köper und dem Geist in Dir zu vertrauen. Du bist gehalten und getragen von einer unerschöpflichen und bedingungslosen Liebe, von Gott, der in Dir ist, selbst wenn sich unsere Vorstellungen, Wünsche und Erwartungen nicht erfüllen. In diesem Vertrauen will auch ich Dich (manchmal stolpernd) begleiten.
    Alles Liebe,
    Wolfgang

    1. Lieber Wolfgang, danke für deine Zeilen und Gebete. Vielleicht ist es im Leben immer ein Hin- und Hergerissensein zwischen Freude, Dankbarkeit und eben auch Enttäuschung. Die Kunst ist es, trotz allem immer wieder den Heimweg zu Gott zu finden und zu entdecken, dass Gott die Tür längst aufgerissen hat. Und mich mit all dem, was ist – auch mit meiner Enttäuschung und Wut – hineinlässt. Er ist der gute Gott, daran glaube ich. Und manche Frage wird wohl bleiben. Liebe Grüße!

  2. Meine Liebe Steph, hab Dank für den Blog … unser Heiland hält dich, auch wenn unser eigener Griff vielleicht mal lockerer wird, er hält und trägt!
    lass dich ganz lieb drücken, dein Papa

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert