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Glaube im Sturm

Jesus schickt die Jünger ins Boot. Sie sollen vorfahren auf die andere Seite des Sees, er selbst wird die Ruhe mit dem Vater suchen. Die Mission der Jünger gestaltet sich jedoch schwieriger als gedacht. Es wird Nacht und irgendwann befinden sie sich im aussichtslosen Kampf gegen Wind und Wellen (Matthäus 14).

Denken sie an Jesus? Schreien sie Gott um Hilfe an? Der Text sagt nichts davon. Die Jünger sind dermaßen mit den Naturgewalten beschäftigt – da ist kein Platz für fromme Gedanken. Hauptsache Überleben!

Ich war noch nie in Seenot wie die Jünger, mit Stürmen anderer Art bin ich aber vertraut. Manchmal stürmt alles auf mich ein. Zeit zum Luftholen? Fehlanzeige. Meine To-Do-Liste quillt über – einen Punkt hake ich ab, drei neue schreibe ich drauf. Und jeder Punkt schreit nach Aufmerksamkeit. Wie schnell ist Gott dabei vergessen, ich muss ja noch …

Die Jünger sind in einer echten Notlage. Der Gedanke an Gott scheint vielleicht sogar abwegig. Schließlich haben sie Besseres zu tun. Der Sturm fordert ihre ganze Aufmerksamkeit.

Ich muss an eine Predigt von Helmut Thielicke (1908–1986) denken, die ich vor einiger Zeit gelesen habe. Thielicke bezieht sich auf genau diese Szene zwischen Jüngern und Sturmnacht und sagt:

„Die Jünger Jesu leben in diesem Augenblick nicht davon, dass Gott in ihren Gedanken wäre (das ist er gar nicht!), sondern sie leben davon, dass Jesus Christus an sie denkt […] Hier (nur hier) gibt es Stetigkeit und Treue, hier gibt es eine Liebe, die unablässig an mir festhält, während bei mir die Fieberkurve zwischen Glaube und Kleinglaube, Vertrauen und Zweifel hin und her spielt und auf mein trotziges und verzagtes Herz kein Verlass ist. Ich brauche nicht zu sagen, welcher Trost es ist, das wissen zu dürfen.“

Helmut Thielicke, Und wenn Gott wäre, Stuttgart 1970, S. 79 f.

Als Jünger leben wir davon, dass Jesus Christus an uns denkt. – Es fällt mir schwer, mich völlig in diese Aussage hineinfallen zu lassen. Ich müsste zugeben, dass es nicht auf mich ankommt, dass ich keine Kontrolle habe. Und wie gern hätte ich sie! Wie gern würde ich Gott starken Glauben hinhalten und im Austausch damit die Eintrittskarte zum Himmel erhalten.

Zugleich tröstet mich der Gedanke, dass es eben nicht auf mich ankommt. Denn ich weiß, wenn es auf mich ankäme, würde ich es gar nicht bis zur Himmelspforte schaffen. Mein Glaube ist nicht stark, sondern maximal stark schwankend. Und mein Leben ist oft mehr Zeugnis meiner Armseligkeit als Zeugnis für meinen Herrn.

„Die Jünger Jesu leben in diesem Augenblick nicht davon, dass Gott in ihren Gedanken wäre (das ist er gar nicht!), sondern sie leben davon, dass Jesus Christus an sie denkt.“ Wenn ich ehrlich bin, ist es genau das, was auch mich in meinem Glauben trägt: Es ist nicht mein Glaube oder irgendeine edle Tat, es ist einzig und allein Jesus Christus.

Dieses Wissen um mein Gehaltensein in Gott tut mir gut. Es bewahrt mich davor, mich zu verdammen, das Handtuch zu werfen, mich aufzugeben. Es macht mir Mut weiterzugehen, dranzubleiben, den tausendsten Neuanfang zu wagen. ER macht mir Mut.

Die Jünger sind mitten im Sturm. Was sie nicht wissen: Jesus ist bereits unterwegs. Als er zu ihnen auf dem Wasser kommt, erkennen sie ihn nicht einmal, sondern meinen, er sei ein Gespenst! Erst als er sagt: „Ich bin’s; fürchtet euch nicht!“ begreifen sie, atmen sie auf. Ich bin in meinem Glauben in jeglicher Hinsicht von Gott und seinem Wohlwollen abhängig. Manchmal, wenn ich mal wieder klein von Gott denke, macht mir das Angst. An Tagen wie heute dagegen befreit es mich eher. Denn ich sehe, dass ich mit meinem mickrigen Glauben nicht weit komme und auch nicht weit kommen muss. ER ist längst da. ER hat längst an mich gedacht.

Foto: pixabay | Joe


Stephanie Kelm

ist verheiratet und zu Hause im Taunus. Sie liebt es, schreibend und wandernd Gottes Welt zu entdecken und ist staunend und stolpernd unterwegs ins Vertrauen.


2 Gedanken zu „Glaube im Sturm“

  1. Hallo Stephanie
    Danke für diesen Beitrag. Er hat mir gerade sehr wohl getan. Vor allem dieser Abschnitt spricht mich an:

    „Die Jünger Jesu leben in diesem Augenblick nicht davon, dass Gott in ihren Gedanken wäre (das ist er gar nicht!), sondern sie leben davon, dass Jesus Christus an sie denkt und dass die Stille, die sein Gespräch mit dem Vater umfängt, erfüllt ist von diesen Gedanken an die Seinen … Die entscheidenden Dinge zwischen Gott und mir [passieren] nicht in meiner Psyche, in meinem Bewusstsein, sondern im Herzen meines Herrn. Hier (nur hier) gibt es Stetigkeit und Treue, hier gibt es eine Liebe, die unablässig an mir festhält, während bei mir die Fieberkurve zwischen Glaube und Kleinglaube, Vertrauen und Zweifel hin und her spielt und auf mein trotziges und verzagtes Herz kein Verlass ist.“

    Gerade eben war ich Laufen und wälzte eine unschöne Situation, in der ich mich gerade befinde, vor mir her. Könnte nicht behaupten, dass Jesus dann in meinen Gedanken war. Erst als ich mich bewusst auf ihn ausrichtete, kam er in meine Gedanken. Doch ich bin überzeugt, dass ich in SEINEN Gedanken schon vorher war. Habe auch mal einen Sturmblogeintrag geschrieben: https://internetgedichte.ch/ich-sitze-im-sturm/
    Nochmals Danke für den GeDANKEn!

    1. Hallo Stefan, danke für deinen Kommentar und auch den Link zu deinem Beitrag. Habe ihn gerade gelesen. Er passt tatsächlich zu meinem Sturm-Beitrag. Danke für deine Gedanken. Und schön, dass wir gemeinsam das Internet um gute Beiträge bereichern. Dir weiterhin Gottes Segen und Führung – Stürme gibt es ja genug – und bis bestimmt mal wieder. Viele Grüße, Stephanie

Danke für deinen Kommentar.

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