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Mehr als ich sehe

Gott tut mehr für mich, als ich denke und sehe. Verschlossene Türen bedeuten nicht, dass Gott mich vergessen hat. Manchmal sind sie auch Bewahrung.

Verschlossene Türen

Manchmal zieht Gott den Vorhang ein Stück beiseite und lässt mich sehen, dass das, was so unverständlich war, am Ende doch gut ist. Manchmal.

Heute Morgen habe ich mich erinnert an einen Moment meiner Alpentour vom letzten Jahr. Es hatte keinen Weg gegeben, in der Hütte am Stilfser Joch zu übernachten. Ich hatte im Vorfeld einfach niemanden erreicht. Und als ich dann vor der Tür stand, erhielt ich nur ein Kopfschütteln.

Ich war wütend, enttäuscht, verärgert – und ohne Schlafplatz. Was nun?  Am Ende fand ich den Weg in ein günstiges Hotel und war versöhnt. Die Hütte wäre mir dennoch lieber gewesen.

Einen Tag später. Ich bin unterwegs auf meiner nächsten Etappe. Als ich den Bergsattel bestiegen habe, erreicht kurze Zeit später auch ein Mountainbiker die Anhöhe. Wir kommen ins Gespräch und er lässt im Nebensatz fallen, dass er in „meiner“ Hütte geschlafen hat. Ich horche auf. Ich bin mit dem Thema doch nicht so versöhnt, wie ich dachte. Zwei Fragen weiter hat sich der Vorhang gelüftet. Aus meinem Frust ist Dankbarkeit geworden.

Ich sehe nie alles

Wie kann ich für Dinge dankbar sein, über die ich einen Tag vorher noch wütend war? Die Situation hat sich ja nicht geändert! Doch eines ist anders: Ich sehe jetzt mehr. Und ich sehe, wie wenig ich gestern und bis eben gesehen und gewusst habe.

Gott tut mehr für mich, als ich denke. Er vergisst mich nicht. Aber ich sehe auch nie das ganze Bild. Nie. Manchmal sehe ich ein bisschen mehr, so wie damals auf dem Sattel. Aber wie oft laufe ich durch mein Leben und kann Dinge eben nicht klar fassen, sondern nur wahrnehmen, welche Türen sich öffnen und welche nicht.

Kann es sein, dass Gott für mich viel mehr tut, als ich sehe? Kann es sein, dass er hinter dem Vorhang so viel mehr Fäden zieht, als ich ihm zutraue?

Ich schäme mich für mein Misstrauen, was ich Gott oft so ungefiltert und unbedacht entgegenwerfe. Wie oft habe ich damit danebengelegen? Wie oft war Gott gar nicht „Übeltäter“? Wie oft war es vielleicht sogar Gnade und Bewahrung, nur ich habe keine Ahnung davon.

Gottes Gedanken

„Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken.“ Ich habe den Text schon in meiner allerersten Bibel als Teenager fett angestrichen. Er hat mir gefallen, mich damals schon berührt. 25 Jahre später berührt er mich immer noch, doch merke ich, wie schwer es mir fällt, Gott diese Weite und Allwissenheit zuzutrauen. Wie sehr ich ihm Dinge ankreide, die er nicht so macht, wie es meiner Meinung nach gut und richtig wäre.

An manchen Tagen hilft Gott mir und lässt mich ein Stück von dem Bild sehen, das er sieht. Für mich ist das manchmal schon viel, dennoch ist es nur ein kleines Stück. Seine Gedanken und Pläne sind so viel weiter und weiser.

Kann ich vertrauen, dass Gott alles gut macht? Kann ich vertrauen, dass mein Leben bei ihm in guten Händen ist? Kann ich vertrauen, dass er am besten weiß, wo ich heute übernachte – und wie es morgen beruflich aussieht – und übermorgen …

In der Hütte damals wäre abends sogar noch Platz gewesen, weil zwei Wanderer nicht gekommen waren. Aber was mich auf diesem Sattel damals im Gespräch mit dem Mountainbiker wirklich erleichtert lächeln ließ, war der Preis. Die Übernachtung in der Hütte hätte meine Reisekasse gesprengt. Ich hatte ja keine Ahnung! Und wie dankbar war ich plötzlich, dass ich die Hütte nicht vorher buchen konnte und auch spontan keinen Platz bekam. Wie gut habe ich doch auch in meinem Hotelzimmer geschlafen. Und wie günstig!

„Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken.“ (Jesaja 55,8) Ich habe wohl keine Ahnung, wovor Gott mich schon bewahrt hat.

Gott kennt meine Situation und Not. Er ist öfter da, als ich denke. Er tut mehr, als ich sehe. Er kümmert sich längst, auch wenn ich es nicht spüre. Ich bin nicht vergessen.

Vertrauen. Gott hat Gutes für mich im Schilde. Auch heute.

Foto: pixabay | Alexa


Stephanie Kelm

ist verheiratet und zu Hause im Taunus. Sie liebt es, schreibend und wandernd Gottes Welt zu entdecken und ist staunend und stolpernd unterwegs ins Vertrauen.


2 Gedanken zu „Mehr als ich sehe“

  1. oh jee, Stilfser Joch, vor Jahren mit d. Auto als Beifahrerin, meinem Mann hat es Spass gemacht, diese Kurven! du bist ja ganz schön sportlich

Danke für deinen Kommentar.

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