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Nicht gut genug

Nicht gut genug. So fühle ich mich. Und wage es nicht, den nächsten Schritt zu gehen. Gott sieht das anders – und ebnet auf seine Weise die Wege.

Ich zögere. Eigentlich wollte ich längst potenzielle Kunden angeschrieben haben, doch zurzeit fallen mir zu viele Gründe ein, lieber noch abzuwarten … die Weiterbildung, die noch kommt; das bald fertige Projekt, das ich als Referenz anführen könnte; der Osterurlaub. Ich ahne, dass ich mich auch danach nicht bereit fühlen werde. Nicht kompetent genug. Nicht gut genug.

100 mutige, kleine Schritte

Ein Waldspaziergang hat mich aus meiner Starre herausgeholt. Auf dem Rückweg dachte ich plötzlich: 100 Bewerbungen. Ich schreibe 100 Bewerbungen und biete meine Zusammenarbeit an. Vielleicht lande ich ja damit schon Treffer, vielleicht auch nicht. Aber dann habe ich es wenigstens versucht, bestimmt auch dazugelernt – und ich bin 100 Schritte weiter.

Dass Leben Unterwegssein und Wagnis ist, nicht Perfektion, muss ich mir immer wieder sagen. Und Misserfolg sind eben nicht Absagen, sondern Misserfolg ist, es gar nicht erst zu probieren.

Ich stelle fest, mit dem Gedanken an die 100 bin ich jetzt entspannter. Ich habe den Anspruch, dass es der perfekte Zeitpunkt sein muss und ich perfekt sein muss, ein Stück hinter mir gelassen, wieder Raum zum Atmen. Jetzt sind mein Ziel die 100 Bewerbungen. Und wenn ich die geschrieben habe, werde ich feiern, egal was dabei herauskommt.

Ich bin nie fertig

Ich bin nie fertig. Nie. Als Autorin nicht, als Gläubige nicht, als Mensch nicht. Ich bin immer am Werden und unvollkommen. Ich werde immer Fehler machen, mich verirren und blamieren. Es wird immer andere geben, die kompetenter, erfahrener, begabter oder schlauer sind als ich. Es wird immer genug Gründe dafür geben, „es“ vielleicht lieber doch nicht zu wagen.

Vogelmamas geben ihren Jungen irgendwann einen Schubs aus dem Nest. Vermutlich braucht es den. Ich brauche auch manchmal einen Schubs.

Auch Gott schubst manchmal. Mose hat er zum Beispiel zum Pharao geschubst. Und Mose stand ein bisschen so da, wie ich jetzt. Er fühlte sich nicht bereit, nicht kompetent genug. Gottes Plan klang aberwitzig. Wie sollte er ein versklavtes Volk befreien und in die Freiheit führen?

Mose hatte durchaus genug Argumente auf seiner Seite:

  • „Wer bin ich schon?“ Ich bin ein Niemand. Auf mich wird niemand hören. Ich kann das nicht. (2. Mose 3,11)
  • „Sie werden mir nicht glauben.“ Was ich sage, wird so absurd sein. Sie werden es mir nicht abnehmen. Sie werden mich nicht ernstnehmen, Gott, und dich auch nicht. (2. Mose 4,1)
  • „Ich kann nicht gut reden.“ Sie werden mir nicht zuhören. Ich werde mich lächerlich machen. (2. Mose 4,10)
  • „Sende jemand anderen.“ Ich bin eine Fehlbesetzung, das musst du doch sehen, Gott. Ich will das nicht. Andere können es besser. (2. Mose 4,13)

Wenn Argumente zu Verheißungen werden

Gott lässt sich auf Moses Argumente ein. Und er gibt Antworten. Aus jedem „Aber“ Moses macht er ein persönliches Versprechen. Am Ende steht Mose mit einem Sack voller Verheißungen da:

  • Wer bin ich schon? – Ich will mit dir sein. ICH BIN, der ich bin.
  • Sie werden mir nicht glauben. – Ich gebe dir zwei Zeichen mit auf den Weg; sie werden dir glauben.
  • Ich kann nicht gut reden. – Ich habe deinen Mund geschaffen. Ich zeige dir, was du sagen sollst.
  • Sende jemand anderen. – Dein Bruder Aaron wird mit dir gehen.

Gott schubst Mose aus dem Nest. Ganz sicher weiß er, dass Mose keine Idealbesetzung ist. Wer ist das schon? Aber er sieht etwas in Mose, was Mose nicht sieht.

Wir werden nie gut genug sein. Aber es scheint so, als hätte Gott keine Zweifel daran, dass wir den Schubs aus dem Nest gut überleben. Er weiß, er hat uns mit Flügeln geschaffen. Nur manchmal haben wir keine Ahnung davon, dass wir Flügelbesitzer sind.

Ich darf „nicht genug“ sein, darf fliegen lernen. Ganz sicher werde ich auch mal abstürzen. Auch davon kann Mose ein Lied singen. Aber Mose kann an seinem Lebensende vor allem ein Lied singen, ein Loblied. Er singt: „Gott ist der Fels. Seine Werke sind vollkommen; denn alle seine Wege sind recht. Treu ist Gott und kein Böses an ihm, gerecht und wahrhaftig ist er.“ (5. Mose 32,4)

Gestern habe ich zwei Anfragen in die Welt geschickt. Ich bin zwei Schritte gegangen. Zuversichtlich. Der große ICH BIN ist doch mit mir.

Foto: pixabay | Wilfried Wende


Stephanie Kelm

ist verheiratet und zu Hause im Taunus. Sie liebt es, schreibend und wandernd Gottes Welt zu entdecken und ist staunend und stolpernd unterwegs ins Vertrauen.


2 Gedanken zu „Nicht gut genug“

  1. Diese Momente kenne ich nur zu gut. Andere sind immer besser als ich, können Dinge schneller, leichter, kompetenter… Ich versuche dann immer, das irgendwie auch hinzubekommen und bin selbst überrascht, wenn andere plötzlich damit beginnen, mich um Rat zu fragen.

    In letzter Zeit habe ich zwei kluge Denkansätze gelernt, die ich – Stückchen für Stückchen – in mein Leben implantieren will:

    1. Es ist nicht entscheidend, was andere über mich denken und es ist nicht entscheidend, was ich selbst über mich denke. Das einzig Wichtige ist, was Gott über mich denkt, und wenn wir uns in der Bibel umschauen, dann denkt Er vor allem viel Liebevolles über mich und sieht Dinge in mir, die ich selbst nicht sehe. (aus einer Predigt vom ICF)
    2. Ich muss nicht schon jetzt perfekt sein, aber ich muss auch nicht entmutigt aufgeben. Ich bin okay und ich bin auf dem Weg. (vgl. Joyce Meyer)

    An Nr. 1 habe ich noch zu knabbern. So gut, wie die Bibel zeigt, dass Gott über mich denkt, kann ich (noch) nicht von mir denken.
    Aber mit Nr. 2 habe ich mich angefreundet. Ich bin okay. Ja. Das bedeutet, dass ich noch Luft nach oben habe, aber dass ich keinem Wachstumszwang unterliege. Und gleichzeitig kann ich daran arbeiten, mir trotz perfektionistischer Ansätze meine Fehler zu verzeihen.

    Vermutlich schmunzelt Gott öfter darüber, wie schwer wir Menschen es uns machen. Aber Er tut es liebevoll.

    Ich bin okay.

    1. Hallo Agnes, danke für deinen Kommentar. Zu dem Gedanken, dass Gott gut von mir denkt und er (allein) Recht hat, muss ich auch noch finden. Oft glaube ich mir mehr als Gott und es ist wohl ein echtes Trainingsfeld, sich hier immer wieder in Gottes Worte und Arme zu werfen. Uns weiterhin viel Erfolg auf diesem Weg, den Gott wohl in der Tat mit seinem liebevollen Schmunzeln (und tatkräftig) begleitet. Liebe Grüße, Stephanie

Danke für deinen Kommentar.

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