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Ohne Antwort

Vor einigen Tagen habe ich festgestellt, dass meine Antworten hier auf dem Blog ins Leere laufen. Wie ärgerlich! Und ich dachte, wenn ich auf Kommentare antworte, bekommt mein Gegenüber automatisch eine Mail. Pustekuchen. Der andere bekommt nichts. Wenn er nicht gerade zufällig später noch einmal nachschaut, hat er von meiner Antwort keine Ahnung.

Ich habe mir jetzt vorgenommen, jeden Kommentierer noch einmal persönlich anzuschreiben. Das Ganze ist mir peinlich. Ich will nicht, dass andere meinen, ihre Nachricht sei mir egal. Das ist sie nicht. Und wenn es dir so gegangen ist: Danke für deinen Kommentar! Es tut mir leid, dass er ins Leere gelaufen ist. In Zukunft löse ich das besser.

Wenn Antworten ausbleiben, bin ich enttäuscht. Auch ich habe schon manches Mal vor meinem E-Mail-Postfach gesessen und gedacht: Der andere muss mir doch endlich mal antworten! Stattdessen Funkstille und nagende Fragen.

Zuweilen geht es mir mit Gott so. Da schreibe ich ihm einen „Kommentar“ und versuche mich mit ihm zu verbinden, aber es kommt nichts zurück, obwohl ich das für mich als „selbstverständliche Reaktion“ verbuchen würde. Denn Gott sieht mich doch! Er legt mich nicht nur irgendwo ab. Das glaube ich nicht! Auch kommt alles bei ihm an, was ich absende. Warum also habe ich trotzdem manchmal das Gefühl, ins Leere zu glauben?

Es gibt Fragen, auf die ich besser keine Antwort versuchen sollte. Manchmal machen Antworten alles nur schlimmer. Warum schweigt Gott? Kann ein Mensch diese Frage je beantworten? In einigen Fällen vielleicht im Nachhinein. Ich gebe zu, ich weiß nicht, warum Gott schweigt. In meinem eigenen Leben nicht und im Leben anderer auch nicht.

Mir helfen die Phasen, in denen ich mich mit Gott verbunden fühle. Sobald der Draht wieder da ist, sind die Schweigephasen vergessen, atme ich auf. Trotzdem ist jede Schweigephase ein Kampf, den ich oft nicht sehr erfolgreich kämpfe. Egal, wie viele Erfahrungen ich schon mit Gott gemacht habe.

Manchmal erzählen mir Menschen, dass sie noch nie eine echte Verbindung zu Gott hatten. Und ich spüre, ich kann darauf keine Antwort geben. Ich habe keine. Ich kann Gott nicht verteidigen. Ich kann nicht sagen: Aber er liebt dich trotzdem!, auch wenn das stimmen mag. Ich spüre auf der einen Seite die tiefe Enttäuschung und Sehnsucht, das Abgeschnittensein und die Trauer darüber – auf der anderen Seite habe ich einen Gott, der sagt, dass er „Immanuel – Gott mit uns“ ist. Wie passt beides zusammen?

Ich bin versucht, Gott zu verteidigen und eine Erklärung zusammenzuzimmern, damit mein Bild vom lieben Gott nicht zerfällt. Bei mir selbst frage ich dann: Was mache ich falsch? Wenn Gott Liebe ist, kann er ja nicht schuld sein! Vielleicht höre ich ja einfach nicht richtig hin, bin nicht empfangsbereit genug, und Gott redet, aber eben an mir vorbei. In solchen Situationen werde ich gefährlich erfinderisch und es bieten sich Antworten an, die mich nur noch tiefer herunterziehen, die aber weder hilfreich noch theologisch haltbar sind.

Kann ich Gott stehen lassen? Kann ich Gott auch in seinem Schweigen stehen lassen? Ich merke, ich kann es oft nicht. Ich habe kaum die Kraft und Ausdauer, ihm sein Schweigen einfach weiter hinzuhalten, weiter zu beten und weiter zu hoffen.

Warum lässt Gott manche Menschen so lange zappeln? Ich weiß es nicht.

Wenn ich selbst am Stolpern bin und die Verbindung zu Gott nicht gelingen will, hilft mir manchmal die gute Verbindung zu Menschen. Zu wissen, ich darf dieses Ringen und Verzweifeln über Gott aussprechen, es schockiert den anderen nicht, es darf einfach sein, im Raum stehen, gemeinsam betrauert, gemeinsam beschwiegen werden. Ohne guten Ratschlag. Einfach gemeinsam getragen.

Ein Liedtext kommt mir dabei immer in den Sinn. Thea Eichholz-Müller singt in „Zu ihm“ in Anlehnung an die Geschichte, in der ein Gelähmter zu Jesus getragen wird (Markus 2,3-5):

„Zu ihm will ich dich tragen … will mit dir hoffen, glauben, warten.“ Vielleicht kann am Ende nur das meine Antwort sein an Menschen, bei denen Gott sich in Schweigen hüllt.

Wir können uns selbst nicht tragen. Manchmal muss uns ein anderer zu Gott tragen. Und uns sagen und zeigen: Wir sind auch in Gottes Schweigen gehalten. Wir sind und bleiben aufgehoben bei ihm.

Foto: pixabay | Epic Images


Stephanie Kelm

ist verheiratet und zu Hause im Taunus. Sie liebt es, schreibend und wandernd Gottes Welt zu entdecken und ist staunend und stolpernd unterwegs ins Vertrauen.


4 Gedanken zu „Ohne Antwort“

  1. Liebe Steffi,
    ein schöner, nachdenklicher Text über das Schweigen Gottes. Auch ich habe keine Antwort darauf, warum Gott zu so vielem schweigt, was auf dieser Erde und mit uns Menschen geschieht. Ich kann nur sagen, wie ich im Augenblick versuche damit umzugehen.
    Zum einen merke ich, dass es in mir selbst unheimlich laut ist. Da setzte ich mich hin und will einfach nur still sein – und da kommen mir unendlich viele Gedanken und ich kann mich gar nicht auf die Stille konzentrieren. In mir ist es so laut, wie soll ich Gott da hören?
    Um meinen Gedankenfluss zu zügeln, nehme ich ein Notizbuch und schreibe das auf, was mir in den Sinn kommt, nachdem ich mein Gebet und meine Gedanken an Gott aufgeschrieben habe – ich schreibe dann ohne Zensur, ohne inner Abwehr, alles auf, was in mir erscheint. Und dann lese ich es mir laut vor. Manchmal werde ich von dem, was ich dann vorlese tief berührt. Hat Gott vielleicht auf diese Weise mit mir gesprochen?
    Und dann achte ich auf Impulse, auf meine Intuition, auf innere Empfindungen – all das hat ER ja in mir geschenkt. Wenn ich ihnen folge, habe ich schon interessante Erfahrungen gemacht.
    Ich glaube, dass Gott in jedem Menschen wohnt und dass er selbst mit Atheisten und Gottesleugner redet. Vielleicht redet er sogar viel mehr als dass er schweigt, nur dass wir Menschen – und ich schließe mich mit ein – verlernt haben, seine Stimme in uns zu erkennen. Es gibt so viele Stimmen in uns, welche ist nun SEINE?
    Wenn es ums Schweigen und ums Reden Gottes geht, dann kann ich mich nur langsam und behutsam vortasten und darauf vertrauen, dass ER Wege und Mittel findet, doch noch zu mir durchzudringen.
    Alles Liebe Dir,
    Wolfgang

  2. Liebe Stephanie, danke Dir von Herzen für Deine so wertvollen Gedanken. Ins Leere glauben… Ein toller Satz, der so genau die Realität beschreibt, die wir beide schon erleben mussten und bestimmt auch immer wieder müssen. Es ist einfach schlimm, wenn vertrauensvolles Hoffen vergeblich bleibt. Über Jahre. Wenn man Leid aushalten muss und es keine Antworten auf bohrende Fragen gibt. Und genau so wie Du es beschreibst hab ich es auch erlebt: Wenn Antworten Händeringend gesucht werden, ziehen die einen stärker runter, als wenn man akzeptiert, dass es keine gibt.
    Es ist zwar nicht zu erklären, aber es ist so wahr: Wir sind auch in Gottes Schweigen gehalten. Vielleicht sogar gerade dann. Danke für diesen so wundervollen Satz, den ich selbst als so wahr erleben durfte. Ganz liebe Grüße Sandra

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