Zum Inhalt springen

Ohne Gott fahren

Manchmal fahre ich ohne Gott, koppele ich mich ab von ihm. Wie geht Gott damit um? Wie finde ich zurück zu ihm?

Abgekoppelt

Es ist Dienstag, der 18.04.2023. Ich sitze im Zug. Auf der Anzeige leuchtet mir entgegen, dass heute der 02.09.2003 ist. Ich muss schmunzeln über die Zeitreise. Ganz so lustig finde ich es allerdings nicht mehr, als ich zehn Minuten später feststelle, dass der vordere Teil des Zuges sich abgekoppelt hat und schon auf dem Weg nach Wiesbaden ist. Ohne Ansage. Ohne mich.

Der Schaffner, der kurz darauf an mir vorbeiläuft, zuckt nur hilflos mit den Schultern und sagt: „Das ist aber jede Woche so.“ Zu seiner Verteidigung muss ich sagen: Er fährt diese Strecke sonst nicht und das mit der Ansage war wohl ein technisches Problem.

Ich bin jedenfalls nicht die Einzige, die es erwischt hat. Und das tröstet mich ein bisschen. Warten muss ich aber trotzdem eine halbe Stunde. Und eigentlich hatte ich die anders verplant.

Kurz bin ich sauer, irgendwie auch überrascht. Ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, dass ich abgekoppelt werde, sitzengelassen. Aber nun sitze ich. Und denke daran, wie es ist, sitzengelassen zu werden. Und an Gott. Denn wie oft koppele ich mich von ihm ab, fahre alleine los, ohne Gott.

Gott sitzenlassen

Mich abzukoppeln geht schnell. Manchmal innerhalb von Sekunden. Zack, bin ich weg, bin ich aufgesprungen auf einen anderen Zug. Auf meinen Sorgenzug, auf meinen Sicherheitszug oder auf meinen Angstzug. Den Leistungszug gibt es auch und den Ich-muss-unbedingt-was-tun-Zug und viele weitere Züge. Gott ist mir zugegeben manchmal zu langsam, zu träge, zu zurückhaltend, zu wenig auf Zack.

In Gottes Zug zu sitzen funktioniert oft nicht so, wie ich mir das wünsche. Gott hat Prioritäten von einem anderen Stern und macht selten, was ich will. Manchmal bringt mich das zur Weißglut und dann mache ich selber Tempo. Und koppele mich ab, fahre ohne Gott. Vermutlich kommt sich Gott ziemlich benutzt vor. Zu Recht. Aber er macht meine Tiraden mit, bleibt mir auf den Fersen oder tuckelt mir einfach eine halbe Stunde später mit dem nächsten Zug hinterher.

Ich glaube, es geht nicht darum, dass ich mich jetzt schlecht fühle. Gott ist nicht so. Er macht mir kein schlechtes Gewissen. Aber natürlich findet er es schöner, wenn ich ihn mitnehme. Er würde gern einfach gemeinsam mit mir Leben erleben, mit mir vor Freude quietschen und mit mir heulen, wo mir zum Heulen ist. Denn er weiß ja, wie allein ich bin und dass die eigene Faust nicht immer erfolgreich ist. 

Exkurs meine Züge

Sorgenzüge sind meist gut zu verlassen, denn sie fahren in die falsche Richtung. Sorgen bringen nichts außer Unruhe, weil sie wenig mit konstruktivem Denken zu tun haben und sich durch Sorgen nichts ändert. Trotzdem halte ich Sorgen zu gern fest, will alles durchdeklinieren. Nebenbei geben sie mir auch das Gefühl, etwas zu tun. Zugleich weiß ich, dass das Unfug ist. Jesus sagt: „Wer von euch kann sich denn durch Sorgen das Leben auch nur um einen Tag verlängern?“ (Lk 12,25 NeÜ)

Sicherheitszüge sind manchmal so, manchmal so. Es ist nicht dumm vorzusorgen und Dinge zu durchdenken. Aber ich habe das Talent, dabei zu übertreiben, suche Sicherheiten ohne Ende und mag nicht der Wahrheit ins Auge sehen, dass es hier nichts Sicheres gibt. Gott ist sicher. Deshalb hilft es mir, wenn ich es mal wieder übertreibe, mich mit Gott zu verbinden, mich also eben nicht abzukoppeln. David schrieb passend: „Ich liege und schlafe ganz mit Frieden; denn allein du, HERR, hilfst mir, dass ich sicher wohne.“ (Ps 4,9)

Angstzüge fahre ich auch schnell. Dann malt meine Fantasie Szenarien, die für Hollywood-Drehbücher taugen würden. Aber im echten Leben machen mich diese Szenarien kaputt. Sie machen mich klein, sperren mich ein, halten mir Nicht-genug-Schilder hin, Du-bist-wertlos-Plakate und Das-schaffst-du-nie-Banner. Gott sagt etwas anderes: „Fürchte dich nicht, ich bin mit dir; weiche nicht, denn ich bin dein Gott. Ich stärke dich …“ (Jes 41,10) Bleib bei mir! Komm in meinen Zug!

Der Leistungszug und der Ich-muss-unbedingt-was-tun-Zug … Ja, ich schaffe gern und Geduld ist nicht meine Stärke. Ähnlich wie Petrus bin ich zuweilen schnell dabei, mein Schwert zu zücken. Manchmal trennt mich auch mein gut gemeinter Einsatz von Gott. Petrus wollte Jesus helfen – und tut das Gegenteil. Manchmal ist nicht Action dran, sondern Warten, auch wenn es mich herausfordert und bremst. „Durch Stillesein und Vertrauen würdet ihr stark sein.“ (Jes 30,15) Komm in meinen Zug!

Mit Gott verbinden – drei Schritte

Schritt 1. Erst einmal ist es schon ein Fortschritt, dass ich es merke, wenn ich mich abgekoppelt habe. Wo ich es nicht merke, kann ich es nicht ändern. Wenn ich es merke, darf ich dankbar dafür sein, dass ich es merke. 

Schritt 2. Ich darf innerlich anhalten, wenn ich mein „ohne Gott“ bemerke, darf stehenbleiben, mich zu Gott umdrehen, wieder Verbindung mit ihm aufnehmen. „Herr, ich hab mich schon wieder abgekoppelt und bin ohne dich losgefahren. Danke, dass du trotzdem hier bist, ich dir in die Augen sehen, deine Liebe darin erkennen kann.“

Schritt 3. Ich stelle mir die Frage: Wie möchte ich weitermachen? Ich kann allein weiterfahren, aber ich kann meinen Weg auch unterbrechen und neu entscheiden. Ich darf Gott einladen in mein Tun oder den Zug verlassen, in dem ich gerade sitze – und neu in Gottes Zug des Vertrauens einsteigen.

Der Zug des Vertrauens

Der Zug des Vertrauens wartet. Gott wartet. Ich kann ihn nicht verpassen. Ich muss nur manchmal umsteigen, aussteigen aus meinen eigenen Zügen und einsteigen in seinen. Was, wenn eben Vertrauen stark macht, so wie es der Bibeltext sagt – und Sorgen, Ängste, Leistungsdenken und falsche Sicherheiten mich schwach machen?

„Durch Stillesein und Vertrauen würdet ihr stark sein.“ (Jes 30,15)

Inzwischen bin ich kurz vor Wiesbaden. Ich bin wieder in Fahrt. Fast ist das Abgekoppeltsein vergessen. Ich bin dankbar für diesen Impuls. Waren es am Ende 30 Minuten geschenkte Zeit von Gott? Eigentlich wollte ich Postkarten im Bahnhof kaufen. Postkarten für andere. Dafür ist leider keine Zeit mehr. Aber ich hatte Zeit zum Denken an Gott, zum Fühlen, zum Ruhigwerden.

Manchmal geht Gott eigenartige Wege. Vielleicht hat er mich ja heute abgekoppelt, damit ich mich mit ihm verbinden kann. Sein Plan ist aufgegangen. Und wieder muss ich schmunzeln. Das Datum an der Anzeigetafel stimmt jetzt übrigens.

Foto: pixabay | Tom


Stephanie Kelm

ist verheiratet und zu Hause im Taunus. Sie liebt es, schreibend und wandernd Gottes Welt zu entdecken und ist staunend und stolpernd unterwegs ins Vertrauen.


Danke für deinen Kommentar.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert