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Hinsehen und staunen

Zum Staunen braucht es nicht viel. Heute Morgen reichen mir Grashalmtropfen und eine Schnecke. Wie schön wäre es, wenn ich öfter staunen könnte!

Grashalmtropfen und eine kleine Schnecke

Er ist wunderschön, der Tautropfen da an der Seite des Grashalms. Noch spiegelt er nicht die Morgensonne, dazu ist es zu früh, und doch fängt er das Licht schon ein. Wenn ich mich hinknie, den Grashalm und den Tropfen von der Seite betrachte, meine Nasenspitze zwischen die Halme stecke, sehe ich das Licht. Spaziere ich mit meinen Augen ein Stückchen um den Tropfen herum, blicke ich hinein in ein grünes Meer und der Tropfen wird für mich zum Fenster in den Halm.

Ich sehe genau hin, entdecke feine Härchen. Eins nach dem anderen und nebeneinander reihen sie sich den Grashalm entlang auf, lassen ihn weich aussehen und wie Samt. Ob sich der Wassertropfen daran festhalten kann?

Es ist windstill. An meinem rechten Schuh zieht eine kleine Schnecke mit ihrem Haus vorbei. Wie schön diese kleine Welt ist, die ich gerade betrachten darf.

Die Schnecke bleibt stehen, horcht in die Luft, allzeit bereit sich zu verkriechen. Hat sie mich bemerkt? Ob sie den Morgen so genießt wie ich? Sie legt einen ihrer Fühler schief, so als würde sie mich mit einem schiefen Blick begutachten. Dann kriecht sie im Schneckentempo weiter.

Es braucht nicht viel zum Staunen

Begegnungen auf einem Quadratmeter. Es ist ein kleiner Kosmos da vor mir. Ich sehe so wenig und doch so viel, staune. Wie perfekt alles ist. Wie schön.

Zum Staunen braucht es nicht viel, nicht einmal den Frühling. Die blühenden Bäume und Blumen sind zwar toll, aber heute Morgen reichen mir tatsächlich Grashalmtropfen und Schnecke. Dabei ist die Schnecke schon Zugabe!

Es fällt mir schwer, nach Hause zu gehen, mich in meine vier Wände einzusperren. Zwischen den Grashalmen ist so viel Freiheit und obwohl im Grunde nichts passiert ist, nehme ich so viel mit.

Fast andächtig setze ich mich zu Hause an den Schreibtisch. Ich will Andacht machen, aber ich spüre: Ich bin schon mittendrin. Gott hat mir bereits gegeben. Ich bin längst mit ihm verbunden. Ich bin beschenkt, reich, berührt, in Gottes Welt entrückt.

Wie schön wäre es, wenn ich öfter staunen könnte, statt mit rauchendem Kopf an Wundern vorbeizurennen!

Heute waren es Grashalmtropfen. Und morgen? Ich bin gespannt. Ich will auch morgen staunen können, hinsehen, hinfühlen. So wie die Schnecke mit ihren Fühlern. Mich von Gott erinnern lassen an das Leben.

Worüber staunst du?

Foto: Stephanie Kelm


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Stephanie Kelm

ist verheiratet und zu Hause im Taunus. Sie liebt es, schreibend und wandernd Gottes Welt zu entdecken und ist staunend und stolpernd unterwegs ins Vertrauen.


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