Zum Inhalt springen

Vertrauen greifbar

Zwei Tage bei einer Freundin liegen hinter mir. Zwei Tage Familienalltag, in denen es nicht um die großen Themen ging, dafür ums Geschichtenvorlesen und Butzenbauen, um Sandkästen und Herumstromern im Wald. Und ja, es gab auch Tränen wegzutrösten und Geschwisterkämpfe zu schlichten.

Ich fahre dankbar zurück. Berührt. Und frage mich: Wie kann es sein, dass das mit dem Vertrauen zwei so kleinen Knirpsen besser gelingt als mir? Haben sie einfach weniger Lebensfrust intus als ich? War ich in dem Alter genauso? Verlieren wir im Laufe unseres Lebens alle an Vertrauen?

„Glaub nicht alles.“ „Geh nicht mit Fremden.“ „Mach es lieber selbst.“ „Du kannst nicht jedem trauen.“ An vielen Ecken dieser Welt scheint Vertrauen dumm zu sein. Warum nur komme ich mir mit meinem Misstrauen oft gar nicht so schlau vor?

Wir sind im Wald, entdecken kleine Kletten und schmücken und beglücken uns gegenseitig damit. Dann ist es Zeit zum Energienachladen. Wir futtern Trockenfrüchte und Nüsse, kauen genüsslich vor uns hin. Ich sitze, irgendwann steht der Zweijährige hinter mir, ich spüre seine kleine Hand auf meinem Rücken, kurz darauf seinen ganzen Körper. Er lehnt und kuschelt sich an mich, sein Kopf liegt an meinem Hals.

Ob er es mehr genießt oder ich? Es ist ein besonderer Moment. Er lässt sich los, legt sein Gewicht voll auf mich, vertraut mir. Und mit Sicherheit denkt er über all das gar nicht nach, was er tut. Er tut es einfach. Es ist ein Geben und Nehmen, eine kurze Sequenz im Miteinander, bedeutsam und trotzdem ganz leicht.

Ist Vertrauen am Ende gar nicht so schwer? Mache ich es mir nur schwer? Denke ich zu viel? Fürchte ich zu viel? Muss ich denn immer alle Risiken abwägen?

In unserer Welt ist Misstrauen notwendig. Leider. Dennoch, wo andere mir den roten Teppich ihres Vertrauens entgegenrollen, betrete ich ihn gern, atme ich auf. Vertrauen tut gut. Es ist schön, wenn ich Türen nicht verrammeln muss und Munition schlicht überflüssig ist. Es tut gut, wo ich sein darf und sagen kann, was ich denke, wo meine Grenzen respektiert werden.

Auch Kinder vertrauen nicht blind. Am ersten Tag habe ich ihre zwei Augenpaare auf mir gespürt. Sie haben mich beobachtet. Sie wollten wissen, wer und wie ich bin, ob ich sie mag, mich auf sie einlasse. Und das ist gut so. Vertrauen muss immer wachsen. Auch bei mir.

Was, wenn ich vertrauen würde? Ein bisschen mehr. Menschen und Gott.

Ich bin nicht gut im Vertrauen, sehe zu oft Gespenster, bin kritisch und zurückhaltend. Aber ich spüre, Vertrauen würde mir guttun. Es würde mich befreien von dem krampfhaften Versuch, alles zusammenhalten, festhalten und kontrollieren zu wollen. Vertrauen ist ein bisschen wie Ausatmen statt die Luft anzuhalten.

Die Tage klingen nach, lassen mich nachdenklich zurück. Vertrauen tut gut, ist einladend. Was haben wir in diesen zwei Tagen alles miteinander erlebt! Ich spüre die beiden noch immer links und rechts von mir sitzen, eng neben mir, sehe sie lauschen, gespannt ins Buch gucken, höre sie reden. Ja, ich hatte ein Buch auf meinem Schoß. Aber vielleicht geht es ja beim Geschichtenvorlesen noch um ganz andere Dinge.

Gern würde ich den Beiden zurufen: Behaltet euer Vertrauen! Bewahrt es euch! Und gern würde ich mich bei ihnen bedanken dafür, dass sie mich einfach so in ihr Herz und Leben eingelassen haben. Es ist für mich nicht selbstverständlich.

Vielleicht ist Vertrauen ja gar nicht dumm, sondern mutig, weise und sogar ansteckend? Danke ihr Zwei! Und danke, Gott, dass du Kinder so wunderbar gemacht hast!

Foto: pixabay, Skalekar1992


Stephanie Kelm

ist verheiratet und zu Hause im Taunus. Sie liebt es, schreibend und wandernd Gottes Welt zu entdecken, ist stolpernd unterwegs ins Vertrauen und immer wieder erstaunt, wie gut Gott ist.


Schreibe gern einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner