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Verwegenes Vertrauen

Es ist, als wäre es gestern erst gewesen. Ich sitze am Rhein auf einer Wiese, genieße die Ruhe in der Sonne. Irgendwann merke ich, dass vier Beine auf mich zusteuern. Ein mittelgroßer Boxer hat mich ausgemacht – ist er nur neugierig oder sollte ich mich fürchten? Ich beschließe, mutig zu sein und bleibe sitzen. Mein Bauchgefühl erweist sich als richtig. Als der Boxer sich nähert, ist von Aggression keine Spur zu sehen, dafür legt er mir seinen kleinen angesabberten blauen Ball vor die Füße und schaut mich erwartungsvoll an.

Für einen Moment überlege ich, ob ich in sein Spiel einsteige. Angesabberte Bälle sind nicht gerade meine Spezialität. Da kommt auch schon sein Frauchen angelaufen, entschuldigt sich bei mir und ich erfahre, dass der verspielte Vierbeiner Joda heißt. Dem Frauchen ist es peinlich, Joda guckt einfach nur gespannt und ich fühle mich irgendwie geehrt, dass er mich erwählt hat. Also greife ich beherzt den wirklich ekligen Ball, werfe ihn und Joda flitzt glücklich los.

Bis heute berührt mich diese Szene. Sie erinnert mich an Gott und mich.

Joda will spielen. Also bittet er vertrauensvoll darum. Er macht sich keinen Kopf, ob er mich fragen darf und sein Anliegen wichtig genug ist. Er überlegt nicht, ob ich gerade Zeit oder vielleicht sogar Angst vor ihm habe. Er kommt einfach, stellt sich vor mich hin, legt mir seinen Ball vor die Füße und guckt mich schief und erwartungsvoll an. – Mit wie viel Vertrauen gehe ich zu Gott? Wie beherzt, entschlossen, erwartungsfroh?

Joda hat keine Ahnung, wie eklig sein Ball ist und sein Sabber-Ball ist wirklich eklig. Aber Joda bringt ihn einfach, legt ihn mir vor die Füße und wartet dann kühn darauf, dass ich den Ball in die Hand nehme und werfe. – Traue ich mir zu, mich und meinen Sabber-Ball wirklich ganz bei Gott fallen zu lassen? Ja, ich ahne, dass auch ich nicht angenehm bin, voller Sünden-Sabber. In Wahrheit ist mein Zustand wohl elender als ich ahne. Aber wie oft bin ich bemüht, mich erst mal sauber zu machen, damit ich nicht ganz so dreckig und unsortiert bei Gott auf der Matte stehe, damit ich wenigstens sagen kann: „Aber Herr, ich hab doch … ich hab’s versucht.“ Wie viel ehrlicher und wie viel schöner wäre es, wenn ich mich zu Gott aufmachte, so wie ich bin.

Ich lasse mich auf das Spiel mit Joda ein, werfe den glibbrigen blauen Hundeball. Ein trockener Ball wäre natürlich angenehmer, aber ich lasse mich auf Joda ein und genieße sogar die Minuten des Spielens mit ihm. Es macht mir Spaß, seine Freude und Ausgelassenheit zu sehen, seine funkelnden Augen, wenn er stolz wieder zurückkommt. – Geht es Gott mit mir vielleicht genauso? Macht es ihm Freude, mir Freude zu machen? Stört er sich eben nicht an meinem glibbrigen Ball, weil es ihm um etwas ganz anderes geht, um die Begegnung mit mir, das Miteinander-Sein?

Trotz Sabber und der nötigen Überwindung zum Spiel bin ich berührt von Joda. Er ist mir ans Herz gewachsen. Ich mag ihn. Ich lasse mich auf ihn ein. Ich spiele sein Spiel mit. Sein Vertrauen bewegt mich. – Kann es sein, dass es das ist, was Gottes Herz berührt? Ich berühre Gott nicht, indem ich meinen Ball erst einmal trockenwische, mich ihm mit niedergeschlagenen Augen nähere. Ich berühre Gott, indem ich vertraue, indem ich komme, wie ich gerade bin.

Ich darf mich Gott zumuten. Ich darf und soll mich ihm erwartungsvoll, beherzt und kühn nahen. Jederzeit. Mit all meiner Unvollkommenheit, Schrägheit und Schuld. Mein Sabber-Ball stört ihn nicht. Im Gegenteil, es berührt ihn, wenn ich damit ankomme. Es berührt ihn!

Mein Spiel mit Joda ist mir zum Gleichnis geworden. Ich kann viel von ihm lernen. Und ich kann an dem, was ich selbst erlebt habe, ein Stück in das hineinspüren, was Gott erlebt, wenn ich angedackelt komme. Er mag mich. Er freut sich an mir. Er lässt sich gern auf mich ein. Mein Sabber-Ball stört ihn nicht.

Es ist ein kurzes Hin und Her zwischen Joda und mir. Noch zweimal werfe ich den Ball und beschere ihm und mir einen Glücksmoment, dann bin ich wieder allein. Eigentlich mag ich Boxer nicht, aber dieser hier war ein echtes Geschenk.

Foto: pixabay | Charlotte Yealey


Stephanie Kelm

ist verheiratet und zu Hause im Taunus. Sie liebt es, schreibend und wandernd Gottes Welt zu entdecken und ist staunend und stolpernd unterwegs ins Vertrauen.


3 Gedanken zu „Verwegenes Vertrauen“

  1. Meine liebe Stephanie, danke für die immer wieder schönen Entdeckungen der „Freundlichkeiten Gottes am Wegesrand“ … mit lieben Grüßen, dein Papa

  2. Pingback: Dialog mit einer Schildkröte • Gottvertrauen lernen

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