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Warum bezeichnet Jesus die syrophönizische Frau als Hund?

Wie zugewandt und liebevoll ist Gott? Manche Bibeltexte werfen Fragen bei mir auf, denn sie zeigen mir einen Gott, der eher hart, abweisend und streng auftritt. Wie passt das mit dem „guten Gott“ zusammen? Ich suche nach Antworten.

Fragen an Gott

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In „Fragen an Gott“ versuche ich, mich einmal im Monat kritischen Fragen und Texten sachlich und informativ zu nähern. Wenn du Fragen an Gott hast, die zum Thema „Wie gut ist Gott wirklich?“ passen, schreib mir.


Lesetipp. Dieser Beitrag ist länger als gewöhnlich. Wenn du nicht viel Zeit hast oder nicht so viel lesen willst, klick dich einfach in den Teil, der dich interessiert.

Die Frage – Warum ist Jesus hier so hart?

In Syrophönizien begegnet Jesus einer Frau, die ihn bittet, ihre Tochter gesund zu machen. Jesus schweigt sie an, wehrt ab und bezeichnet sie als „Hund“. Warum reagiert Jesus so? Warum lässt er sich nicht auf sie und ihre Not ein? Ist Gott so gut, wie er sagt?

Die Geschichte – Eine syrophönizische Frau bittet Jesus

Die Begebenheit wird an zwei Stellen im Neuen Testament berichtet: in Matthäus 15,21–28 und in Markus 7,24–30. In der Lutherbibel sind die Geschichten überschrieben mit „Die kanaanäische Frau“ und „Die Frau aus Syrophönizien“. Beide Berichte gleichen sich, zum Teil ergänzen sie sich. In beiden Berichten wird Jesus eher hart und unzugänglich beschrieben.

Wo liegt Syrophönizien?

Syrophönizien liegt an der Mittelmeerküste nördlich von Israel im heutigen Libanon. Die Gegend von Sidon und Tyrus, in der Jesus der Frau begegnet, befindet sich zwischen den Hafenstädten Beirut (Libanon) im Norden und Haifa (Israel) im Süden. Übrigens ist das auch die Gegend, in der Elia der Witwe von Zarpat (1. Kön 17) begegnet, der daraufhin Öl und Mehl nicht ausgehen.

Jesus befindet sich auf heidnischem Gebiet. Nach Mk 7,24 hatte er sich hierhin mit seinen Jüngern zurückgezogen, um Ruhe zu haben. Doch eine Frau hat ihn bemerkt. Weil ihre Tochter von einem bösen Geist geplagt ist, wendet sie sich an Jesus mit der Bitte: „Ach Herr, du Sohn Davids, erbarme dich meiner!“ (Mt 15,22)

Und dann steht da: „Und er [Jesus] antwortete ihr kein Wort.“ (Mt 15,23) – Hier setze ich mein erstes Fragezeichen.

Irgendwann betteln sogar die Jünger Jesus: „Lass sie doch gehen, denn sie schreit uns nach!“ Jesu Antwort: „Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel.“ (Mt 15,24) – Zweites Fragezeichen.

Sie lässt sich nicht abschütteln, fällt vor Jesus nieder, bittet ihn erneut. Jesus scheint sie von oben herab anzugucken und sagt: „Es ist nicht recht, dass man den Kindern ihr Brot nehme und werfe es vor die Hunde.“ (Mt 15,26; Mk 7,27) – Wie bitte? Wie kannst du so etwas sagen, Jesus? Merkst du denn nicht …? Drittes Fragezeichen.

Die Geschichte geht weiter. Die Frau bleibt dran. Für mich ein Wunder! Sie nimmt diesen Satz, den Jesus ihr gerade hingeworfen hat, und macht daraus ihren Satz: „Ja, Herr, aber doch essen die Hunde von den Brosamen, die vom Tisch ihrer Herren fallen.“ (Mt 15,27)

Es gibt ein Happy End. Jetzt – nach diesem ganzen Hin und Her – wendet sich Jesus der Frau zu, macht ihr sogar ein Kompliment: „Frau, dein Glaube ist groß“ (Mt 15,28). Und er heilt ihre Tochter. Die Fragezeichen bleiben. Warum geht Jesus so mit dieser Frau um?

Einige Hintergrundinformationen

Jesus ist zu den Israeliten gesandt, das war sein Auftrag und zentrales Anliegen, das er auch immer wieder formulierte. „Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel.“ (Mt 15,24) Die Zeit für alle anderen, also für die Heiden und damit auch für diese Frau, würde später kommen (ab Pfingsten). Dennoch sollten, so war es Gottes Plan, die Heiden durch die Juden gesegnet sein („Licht der Heiden“, siehe Jes 42,6). Es war also nie Gottes Plan, nur exklusiv für ein Volk da zu sein.

Die Heiden wurden damals tatsächlich immer wieder als Hunde bezeichnet, auch in der Bibel (zum Beispiel Mt 7,6; Phil 3,2, Offb 22,15). Sie wurden mit Hunden gleichgesetzt und als Hunde beschimpft. Im Blick waren dabei keine Haushunde, sondern streunende Hunde, die als Aasfresser unterwegs waren. Am Astarteheiligtum der Kanaanäer gab es eine Götzenstatue, auf der zwei Hunde saßen.

Die wohlhabenden Küstenstädte Phöniziens importierten ihren Getreidebedarf aus dem Gebiet Galiläas, also Israels. Möglicherweise hatte Jesus auch diesen Umstand im Blick, wenn er davon redet, dass es nicht recht ist, den Kindern das Brot wegzunehmen (Mt 15,26; Mk 7,27). Zudem waren Sidon und Tyrus Städte, gegen die im Alten Testament auch immer wieder Gerichtsworte ausgesprochen werden (z. B. Hes 28,21; Joel 4,4).


Versuch einer Antwort – Ist Jesus so hart?

Die Geschichte gibt mir einige Details an die Hand, die zwar die Fragen nicht im Letzten klären, aber einiges erhellen.

Das Wort zuerst. Im Bericht von Markus heißt es in Vers 27: „Lass zuerst die Kinder satt werden“ (Luther: „zuvor“). Hier deutet Jesus an, dass er keine absolute Absage erteilt, sondern dass es eine Reihenfolge gibt: Die Israeliten sind zuerst dran (siehe Hintergrundinfos), aber alle anderen kommen auch noch. Es gibt also kein generelles und absolutes Ausgeschlossensein für die, die nicht dem Volk Israel angehören.

Die Schafe Israels sind auch verloren (Mt 15,24). Jesus sagt hier: Ja, die Israeliten sind auserwählt und ich bin für sie gekommen, aber sie sind auch verloren. Sie haben einen Vorteil, aber haben auch keinen. Sie sind besser dran und sind es doch nicht. – Das ist durchaus eine Aussage, die der nichtisraelitischen Frau Mut machen kann. So klar ist alles nicht, nicht einmal für die Israeliten.

Das Wort Hund. Im griechischen Grundtext verwendet Jesus hier einen Begriff für Hund, der nur in dieser Geschichte bei Matthäus wie bei Markus vorkommt. An allen anderen Stellen (z. B. als Schimpfwort für die Heiden) steht ein anderer Begriff – der für Streunerhund bzw. Straßenhund (kuon). Hier gebraucht Jesus den Begriff kunarion, der ansonsten für Haushund oder sogar Schoßhund verwendet wird, also für Hunde im Haus! Insofern benutzt Jesus hier gar kein so drastisches Schimpfwort, sondern er wertet die Frau auf und macht die ungeheuerliche Aussage: Du gehörst zu meinem Haus!

Die Frau macht keinen Versuch, Jesus zu beeindrucken oder zu überreden. Sie meldet keinen Anspruch an. Sie weiß, dass sie Heidin ist. Auf den Begriff „Haushund“ steigt sie ein. Sie erinnert Jesus in Mt 15,27 daran, dass Haushunde die Brotkrumen essen, die herunterfallen oder ihnen heruntergeworfen werden. In der Regel sind Haushunde ja gut versorgt! Das Wort „Schoßhunde“ fügt noch eine tiefere Dimension der Versorgtheit und Nähe hinzu.

Spannenderweise steht die Geschichte bei Matthäus zwischen der Speisung der 5000 (Mt 14,13–21) und der Speisung der 4000 (Mt 15,32–39). Bei diesen Speisungen war Jesus der Brotgeber, der Hungerstiller und der, bei dem am Ende körbeweise übrig war. Hier waren nicht nur Krumen übrig, mit denen sich die Frau ja zufriedengibt, hier war mehr als genug übrig. Diese Botschaft haben wir heute als Leser, aber letztlich zeigt Jesus der Frau genau das: Für dich ist trotz allem genug übrig.

Dein Glaube ist groß. Jesus sagt nur zu zwei Personen, dass sie einen großen Glauben haben. Er sagt es zu dieser Frau (Mt 15,28) und er sagt es zum Hauptmann von Kapernaum (Mt 8,10). Beide waren Heiden. Es ist fast erschreckend, dass kein anderer, niemand aus seinem Volk, zu dem er gesandt ist, dieses Kompliment erhält. Die Frau erhält es.

Zusammenfassung – Wie gut ist Gott wirklich?

Jesu Umgang mit der Frau ist nicht leicht zu erklären. Er wirft Fragen auf, die nicht alle mit diesem Artikel beantwortet sind. Dennoch sind die genannten Details aufschlussreich und rücken die Begebenheit in ein anderes Licht.

Eine letzte Antwort ist für mich die, dass Jesus wohl wusste, wie vertrauensvoll und hartnäckig die Frau sein würde. Ich bin überzeugt, dass er mit einem anderen Gegenüber, das vielleicht schneller aufgegeben und sich zurückgezogen hätte, auch anders umgegangen wäre.

Wie gut ist Gott?

Er ist so gut, dass er die Tochter dieser Frau heilt.

Er ist so gut, dass er den Glauben dieser heidnischen Frau anerkennt und schätzt.

Er ist so gut, dass er sie als Schoßhund bezeichnet und sie damit erhebt und ihr ein Recht auf einen Platz an seinem Tisch gibt.

Dennoch beruft sich auch Jesus immer wieder auf eine Rangfolge und macht es der Frau durchaus schwer. Sie ist zwar ein Schoßhund, aber sie bleibt erst mal auch einer. Sie nimmt es an. Sie weiß, dass es so ist. Trotzdem darf sie am Ende erfahren, dass Jesus sie sieht und ihr hilft.

Wie gut ist Gott wirklich? Die Frau würde wohl sagen: Gott ist gut, denn er war gut zu mir.

Foto: pixabay | Wilfried Wende


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Stephanie Kelm

ist verheiratet und zu Hause im Taunus. Sie liebt es, schreibend und wandernd Gottes Welt zu entdecken und ist staunend und stolpernd unterwegs ins Vertrauen.


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