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Dialog mit einer Schildkröte

Es ist schon eine Weile her, aber ich spüre sie noch ganz deutlich auf meiner Handfläche. Sie, keine zehn Zentimeter groß, hat es sich darauf bequem gemacht – und schläft. Ihre vier Beine hat sie von sich gestreckt, zwei davon hängen entspannt zwischen meinen Fingern, ab und zu zucken sie fast unmerklich. Ihr Kopf ruht auf meinem Handballen.

Emma ist eine Schildkröte und ich habe ihr Vertrauen gewonnen, dabei kennen wir uns noch nicht mal eine halbe Stunde. Trotzdem geht sie nicht in Schutzposition und zieht alle Viere samt Kopf ein, wie ich es wohl auf einer fremden Hand täte. Nein, sie macht sogar ihre kleinen schwarzen Kugelaugen zu!

Theoretisch könnte ich Emma in die Luft werfen, ich könnte sie ärgern und an den Füßen kitzeln. Oder ich könnte sie – ganz gemein – einfach irgendwohin auf den Rücken legen. Natürlich tue ich es nicht, das würde mir auch nie im Traum einfallen. Ich bin ja kein Unmensch. Nur, warum habe ich zuweilen die Angst, dass Gott so mit mir umgehen könnte?

„Ich bin in Gottes Hand.“ Manchmal finde ich das wunderbar – aber manchmal fühle ich mich auch ausgeliefert. Denn was weiß ich schon, was Gott für Pläne mit mir hat? Es fällt mir schwer, das Lenkrad aus der Hand zu geben. Wer weiß, wo Gott mich hinfährt, wo er mich parkt, wo er mich hinschickt.

Wenn Emma reden könnte …

Wenn Emma reden könnte, würde sie vielleicht zu mir sagen: „Wovor hast du Angst? Du wirfst mich doch auch nicht in die Luft und du würdest es nie zulassen, dass jemand mich ärgert.“

Ja, Emma, du hast wahrscheinlich recht. Aber mit Gott ist es komplizierter.

Komplizierter? Wieso?

Weil Gott nicht so greifbar da ist. Du sitzt auf meiner Hand. Dich kann ich sehen und fühlen. Aber Gott, manchmal tut er was und manchmal nicht.

Du meinst, ich bin bei dir sicherer als du bei Gott.

Hm, ich weiß nicht. Das klingt ziemlich brutal. Ich glaube schon, dass Gott gut ist und mir keins auswischen will.

Aber?

Hm.

Du traust ihm nicht.

Ich traue ihm nicht.

Ich traue auch nicht jedem.

Nicht?

Nein, aber bei dir hatte ich ein gutes Gefühl.

Danke.

Was hast du für ein Gefühl bei Gott?

Ich weiß es nicht.

Vielleicht musst du das mit dem guten Gefühl auch erst lernen. Je mehr du dich bei Gott hängen lässt, desto mehr merkst du vielleicht, dass er dir mit seinen Fingern eben nicht die Beine einklemmt.

Autsch.

Fiese Menschen machen das. Aber ich glaube, Gott ist nicht fies.

Nein, das glaube ich auch nicht.

Sag mal, hast du was zu Fressen für mich? Ich hab Hunger.

Ähm, ja. Moment … Vielleicht sowas wie ein Salatblatt oder eine Erdbeere? Was magst du lieber?

Glaubst du wirklich, dass Gott schlechter ist als du?

Deine Themenwechsel verwirren mich grad. Sag die Frage noch mal!

Meinst du wirklich, dass Gott schlechter ist als du?

Wie kommst du darauf?

Naja, ich sag dir, ich hab Hunger und du bist sofort dabei, mir was zu organisieren. Und du fragst mich sogar, was ich lieber will?

Ja klar, ich mag dich und ich will, dass es dir gutgeht.

Aber sagt dein Gott nicht auch, dass er dich mag und dass er will, dass es dir gutgeht?

Ja, das sagt er.

Und, kümmert er sich um dich? Hat er dir schon mal ’ne Erdbeere angeboten?

Eine Erdbeere vielleicht nicht. Aber dafür anderes. Gott hat mich sogar die Alpen überqueren lassen! Das war mein Traum …

Wie, einfach so?

Einfach so. Und irgendwie war er voll mit dabei, hat für mich gesorgt.

Und wieso kommst du dann auf die Idee, dass er irgendwas mit dir machen könnte, was nicht gut ist?

Vielleicht, weil ich nicht so bin, wie ich gern wäre, und nicht so glaube, wie ich es gern täte.

Aber ich hab doch vorhin auch einfach auf deiner Hand geschlafen – und du warst begeistert. Einfach nur, weil ich da war!

Und weil du mir vertraut hast.

Volltreffer.

Du meinst …?

Ja, das meine ich. Ach, und übrigens, ich hätte gern die Erdbeere. Wenn du zwei hast, auch zwei!

Kriegst du. Moment …



Vielleicht wäre der Dialog so ausgefallen, wenn Emma sprechen könnte. Vielleicht hätte sie auch ganz andere schlaue Dinge gesagt. Denn das mit dem Vertrauen hat sie mit Sicherheit verstanden.

Mir gehen einige Sätze nach:

  • Gott ist nicht fies.
  • Je mehr du dich bei Gott hängen lässt, desto mehr merkst du, dass er dir mit seinen Fingern eben nicht die Beine einklemmt.
  • Sagt dein Gott nicht auch, dass er dich mag und dass er will, dass es dir gutgeht?

Ja, das sagt er. Und nur für heute, nur für jetzt will ich Gott einfach mal glauben.

Foto: pixabay | nachalla

Beiträge mit Tieren sprechen dich besonders an? Hier findest du einen Beitrag zum Thema „Katzenweisheit“ und hier einen mit einem Hund namens Joda. Viel Spaß beim Lesen!


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Stephanie Kelm

ist verheiratet und zu Hause im Taunus. Sie liebt es, schreibend und wandernd Gottes Welt zu entdecken und ist staunend und stolpernd unterwegs ins Vertrauen.


2 Gedanken zu „Dialog mit einer Schildkröte“

  1. Das ist ein sehr schöner Dialog, Danke Dir dafür!

    Eigentlich sind Emmas Hinweise so logisch und einleuchtend. Aber im Alltag vertraue ich dann doch wieder meinen gewohnten Denkmustern, statt Gott einfach zu vertrauen. Manchmal wäre ich gerne eine Emma…

Danke für deinen Kommentar.

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