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Hungrig heim

  • Bibel

Gott lieben oder Gott brauchen? Ich will Gott lieben. Die Wirklichkeit ist: Ich brauche ihn. Das Gleichnis vom verlorenen Sohn ist überraschend realistisch.

Der bedürftige Sohn

Ich will Gott lieben! Das ist mein Anspruch ans Christsein. Denn was bin ich für ein Christ, wenn ich Gott nicht liebe? Die Wirklichkeit sieht leider anders aus: Meine Liebe hält sich stark in Grenzen, dafür schreit meine Bedürftigkeit zum Himmel.

Vielleicht fiel es mir neulich gerade deswegen im Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lukas 15) auf: Der verlorene Sohn kehrt nicht aus Liebe zum Vater zurück, sondern weil er den Vater braucht!

Nicht aus Liebe zum Vater kommen – der Gedanke erschreckt mich, zugleich nimmt er mir viel Last von den Schultern.

Ich knabbere an meiner Unliebe. Immer wieder. Wie eng mein Herz ist! Wie eifersüchtig und neidisch ich bin, wie knauserig und berechnend, wie sehr auf mich bedacht.

Könnte Gott mir einen Schalter installieren, mit dem ich die Liebe einfach so anknipsen kann, ich hätte längst einen Antrag bei ihm gestellt. Aber so funktioniert das nicht. Liebe kann man zwar pflegen, aber sie lässt sich nicht herbeiklicken.

Was also mache ich mit meiner Unliebe und meinem Anspruch, lieben zu sollen?

Der Hunger treibt heim

Der Sohn kehrt nicht aus Liebe zum Vater zurück. Und ich brauche die Wiederholung für mich: Der Sohn kehrt nicht aus Liebe zum Vater zurück!

Es ist ein ganz anderer Grund, der ihn nach Hause treibt: Er hat Hunger. Und fast fragt es in mir: Darf ich aus so einem Grund überhaupt auf Gottes Türschwelle erscheinen? Der Sohn tut es.

Ja, er schämt sich auch und er bedauert es, dass er das Erbe seines Vaters auf den Kopf geklopft hat, aber so schnell wäre er nicht zurückgekehrt, wäre es ihm in der Fremde gut gegangen. Die Liebe zum Vater hat ihn jedenfalls nicht heim getrieben.

Wie realistisch Jesus dieses Gleichnis erzählt: Wir Menschen kommen, weil wir brauchen! Jesus hat recht. Nur wir selbst verdrehen gern die Realität und mischen Dinge bei: zumindest ein bisschen Liebe und Reue, ein bisschen Frommsein und Bemühtsein.

Der Sohn, der zurückkehrt, ist weder fromm noch lieb. Er ist vor allem verlaust, verlumpt und sein Magen knurrt. Ganz sicher würde er seinem Vater lieber anders unter die Augen treten.

Der Sohn braucht, der Vater liebt

Und der Vater? Der rennt seinem Sohn freudestrahlend entgegen! Trotz Schweinestallgeruch und Ekligkeit. Er lässt ihn gar nicht zu Wort kommen, umarmt ihn, steckt ihn in die Badewanne, kleidet ihn ein, veranstaltet ein Festmahl für ihn …

Der Sohn braucht – der Vater gibt und liebt. Die Rollen sind klar verteilt. Der Vater hat offensichtlich kein Problem damit.

Nur ich habe eins.

Kann ich es ertragen, dass Gott mich mehr liebt als ich ihn? Kann ich es annehmen, dass ich in unserer Beziehung die Empfangende bin? Kann ich mich und meinen desaströsen Zustand vor Gott aushalten?

Erstaunlicherweise ergreift Gott nie die Flucht, wenn ich ankomme. Stattdessen stürmt er so enthusiastisch auf mich zu, als wäre ich seine beste Freundin, und zerrt mich liebevoll in sein Haus.

Vielleicht kann ich es deshalb so schwer verstehen, weil ich nicht Mutter bin. Gute Eltern sind so. Sie reißen dir immer die Tür auf, egal was du verbockt hast.

Gott liebt wie der beste Vater der Welt. Ich darf lernen, Kind zu sein. Zu brauchen.

Und die Geschichte, dass ich Gott etwas zurückgeben will? Der Vater im Gleichnis lässt seinen Sohn mit seinen „Ich-müsste-Gedanken“ nicht einmal zu Wort kommen. Stattdessen gibt er eine Party.

Foto: pixabay | Christine Sponchia


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Stephanie Kelm

ist verheiratet und zu Hause im Taunus. Sie liebt es, schreibend und wandernd Gottes Welt zu entdecken und ist staunend und stolpernd unterwegs ins Vertrauen.


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