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Jahresrückblick mit Gott

Ein gutes Jahr, ein schlechtes Jahr – wie war 2023 für mich? Und wie würde Gottes Jahresrückblick ausfallen, wenn er mir einen schreiben würde?

Beruflich, privat, geistlich

War 2023 ein gutes Jahr? Beruflich gesehen würde ich klar Ja sagen. Meine Selbstständigkeit ist besser in Gang gekommen als gedacht, das Lektorendasein macht mir Freude und ich bin schon wirklich gespannt auf 2024.

Auch privat war es ein schönes Jahr. Nach fünf Jahren Pause wegen meiner Geräuschempfindlichkeit konnte ich endlich wieder zum Chor gehen. Das tat gut! Und ich habe sowohl Alltag als auch Urlaube mit meinem Mann genossen, durfte im November sogar noch mal die Alpen sehen.

Und geistlich gesehen? Wie war mein Jahr mit Gott? Wenn ich ehrlich bin, fällt meine Antwort hier nicht so klar aus. Ich weiß, ich wollte mehr. Mehr von Gott. Mehr mit Gott. Und ich bin enttäuscht, dass ich nicht näher und mehr an Gott dran war und dass er sich nicht mehr gezeigt hat.

Ich habe Gott vermisst und er mich wohl auch. Ich wollte viel, in der Realität haben Gott und ich aber oft nicht zusammengefunden. Echte Verbundenheitsmomente gab es wenige. Durch meine Stille Zeit habe ich mich eher gekämpft. Beflügelt war ich selten.

Gott und ich. Bin ich am Ende des Jahres schlauer? Bin ich Gott näher? Es war kein Jahr ohne Gott. Ein Jahr mit Gott stelle ich mir trotzdem anders vor.

Was ist für Gott ein gutes Jahr?

Vielleicht bin ich zu streng mit mir. Ich weiß nicht mal, ob Gott so etwas wie einen Jahresrückblick macht. Und wenn ja, worauf er schaut. Will er Fortschritt messen wie ich? Was ist für ihn ein gutes Jahr, wenn er an mich denkt?

Vielleicht lautet Gottes Fazit ja einfach: „Ich habe sie beschenkt“ oder „Sie hat sich gefreut“ oder „Wir sind noch zusammen“. Muss es denn immer höher – schneller – weiter sein? Muss denn alles am 31.12. besser sein als 365 Tage vorher? Wie viel Erfolgsdenken steckt in Gott drin? Denkt er überhaupt so?

Was wäre, wenn es ihm ums Zusammen ginge. Und auch da nicht um gequältes und abgequetschtes Zusammensein, sondern um ehrliches und sehnsuchtsvolles. Vielleicht sogar um „Weniger ist mehr“. Es macht doch nicht die Menge meiner Stille-Zeit-Minuten oder die Wortanzahl meiner Gebete!

Wenn Gott das Zusammen sucht und ein ehrliches Herz, dann ist es ihm vielleicht sogar lieber, wenn ich meine Stille Zeit manchmal sausen lasse. Ist Gott so? Für mich ist das schwer vorstellbar. Ich sitze immer noch über Jahresrückblicken und seziere meine Monate nach Erfolgen.

Erfolge in Gottes Augen

Vielleicht sind bei Gott ganz andere Dinge Erfolge. Vielleicht denkt er ja an so etwas wie:

  • Sie hat mir ihre Zweifel und Enttäuschung anvertraut.
  • Sie hat es sich erlaubt, sich nicht zu mir zu prügeln.
  • Sie hat Freiheit gesucht.
  • Sie war ehrlich zu mir.
  • Sie hat ihren Blog geschrieben und viele Briefe.
  • Sie hat an mir festgehalten.
  • Sie hat sich lieben lassen.
  • Sie hat über meine Schöpfung gestaunt.
  • Sie hat die Not ihrer Nachbarin gesehen.
  • Sie hat mich gesucht.

Gottes Bilanz

Mein Jahresrückblick sagt: Ich habe nicht genug … Gottes Jahresrückblick sagt vielleicht: „Sie sehnt sich nach mir. Sie will mehr von mir. Wie schön!“

Gott rechnet nicht. Nicht am Ende. Nicht am 31.12. Meine Bilanz mag vernichtend ausfallen. Gottes Bilanz ist anders. Während ich mit einem fetten Minus abschließe und einem schreienden „nicht genug“, schreibt Gott etwas ganz anderes unter den Strich. Gnade.

Gnade heißt, meine Bilanz ist gelöscht. Mein Minus. Meine Nullnummer. Mein „nicht genug“. Nein, ich habe mich 2023 nicht mit Ruhm bekleckert. Da hätte so viel mehr „mit Gott“ sein können. So viel mehr Herz für ihn und andere Menschen.

Und doch, Gott stempelt seine Gnade unter meine Rechnerei und schickt mich aufmunternd ins nächste Jahr. So, als ob dann alles gelingen würde. Dabei weiß er genau, dass das nicht der Fall sein wird.

Gnade. Ich bin eine Befreite. Ich darf als Befreite ins neue Jahr gehen, neu anfangen und auch nächstes Jahr wieder meinem Scheitern bei Gott ankommen. Und auch dann wird er seinen Stempel der Gnade bereithalten. Weil meine Minusbilanz ja längst bezahlt ist. So wie deine.

Happy new year!

Foto: pixabay | djedj


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Stephanie Kelm

ist verheiratet und zu Hause im Taunus. Sie liebt es, schreibend und wandernd Gottes Welt zu entdecken und ist staunend und stolpernd unterwegs ins Vertrauen.


2 Gedanken zu „Jahresrückblick mit Gott“

  1. Zu diesem Thema habe ich ein schönes Zitat von Teilhard de Chardin kürzlich gefunden:

    „Vor allem vertraue dem langsamen Werk Gottes.

    Wir sind von Natur aus ungeduldig und wollen ohne Verzögerung ans Ziel gelangen. Wir würden die Zwischenetappen am liebsten überspringen. Wir sind ungeduldigt auf dem Weg zu etwas Unbekanntem, etwas Neuem. Und doch lautet das allem Fortschritt zugrunde liegende Gesetz, dass man Zeiten der Unsicherheit in Kauf nehmen muss, um dorthin zu gelangen – und dass dies sehr lange dauern kann.

    Und so ist es auch mit Dir: Deine Gedanken reifen nach und nach – lass sie wachsen, gib ihnen Raum, Gestalt anzunehmen, ohne unangemessene Eile. Versuche nicht zu erzwingen, heute etwas zu sein, was die Zeit (das heißt, die Gnade und die Umstände in Verbindung mit Deinem guten Willen) morgen aus Dir machen wird.

    Nur Gott allein kann sagen, wie dieser neue Geist, der sich allmählich in Dir formt, sein wird. Vertraue unserm Herrn, dass Seine Hand Dich leitet, und akzeptiere das Unbehagen, Dich in der Schwebe und unvollständig zu fühlen.“

    Diesen Text fand ich irgendwie tröstlich.

    1. Hallo Agnes, danke für die Erinnerung an dieses Zitat! Ich kenne es, habe es sogar fett in irgendeiner Sammlung, aber vergesse es (leider) regelmäßig. Aber es ist so wahr! (Und ich bin so ungeduldig.) Liebe Grüße und danke dir!

Danke für deinen Kommentar.

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