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Katzenweisheit

Klugheit, Geduld, Mut. – Über eine Katze, die mich überrascht, berührt und ermutigt hat, es ihr in meinem Leben mit Gott gleichzutun.

Begegnung am Trinkbrunnen

Sie hat es sich auf einem für Bulgarien so klassischen Trinkbrunnen bequem gemacht. Erst denke ich, sie mag den Sitz auf der Steinsäule einfach, denn er bietet einen 360-Grad-Blick durch den Rosenpark von Kazanlak. Ein wahrer Königssitz für eine Straßenkatze.

Da ich Durst habe, nähere ich mich dem Trinkbrunnen vorsichtig. Ich will die Katze nicht verscheuchen. Und da dieser Trinkbrunnen nicht ständig läuft und auch keinen Bewegungssensor hat, muss ich nah herantreten.

Währenddessen schauen wir uns in die Augen – die Katze und ich. Wir versuchen abzuschätzen, was die jeweils andere vorhat. Ich gehe davon aus, dass sie gleich herunterspringen wird, vielleicht bleibt sie auch sitzen. Sie wiederum ahnt vermutlich, dass ich trinken will, und checkt, ob ich gefährlich bin.

Doch sie überrascht mich. Als ich nähertrete, klettert sie die Säule hinunter zum Wasser – und bittet mich still, dass ich es ihr aufdrehe. Ich muss schmunzeln und staune: Was für eine Katze! Klug, geduldig, mutig.

Ich stelle ihr das Wasser an und sie trinkt. Da der Trinkbrunnen mehrere Wasserhähne hat, nehme ich für mich einfach den nächsten. Danach beobachte ich sie. Ob sie genug hat? Ich drehe meinen Hahn zu und ihren. Dann gehe ich weiter. Und sie setzt sich wieder auf ihren Thron.

Klug, geduldig und mutig

Klug, geduldig und mutig. Die Begegnung geht mir nach.

Klug. Sie weiß, wo Menschen trinken. Sie sucht diesen Platz auf dem öffentlichen Trinkbrunnen, denn sie weiß, dort gibt es auch für sie Wasser. Nicht immer, aber immer wieder. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch.

Geduld. Sie wartet, sitzt auf ihrer Steinsäule. So früh am Morgen kommen vermutlich nicht so viele Menschen mit Zeit hier vorbei. Sie wartet trotzdem. Jemand wird kommen, auch wenn sie nicht weiß, wann.

Mut. Sie muss einschätzen, wem sie vertrauen kann und wem nicht. Ganz sicher hat sie schon schlechte Erfahrungen gemacht. Ein bisschen Kühnheit gehört auch dazu, denn Trinkbrunnen sind schließlich für Menschen. Sie ist kühn. Sie wagt es, mir zu vertrauen – und kann trinken.

Gib mir zu trinken

Ob ich so klug bin wie diese Katze? Weiß ich, wo ich zu trinken bekomme? Und gehe ich hin zu diesem Ort, setze mich und warte?

Ich denke an Gott und mich. Ist er „mein“ Ort? Bin ich bei ihm? Kann ich auf ihn warten? Die Realität sieht oft anders aus. Wie schnell fallen Zeiten mit Gott unter den Tisch oder müssen sich dem Diktat meines Alltags beugen. Die Katze ist wohl schlauer als ich.

Jesus steht mit einer Samariterin am Brunnen. Er hat sie um Wasser gebeten, aber schnell ist klar: Er ist derjenige, der geben kann. „Wenn du erkenntest die Gabe Gottes und wer der ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, du bätest ihn, und er gäbe dir lebendiges Wasser.“ (Johannes 4,10)

Ich will ihn bitten. Ich will geduldig sein. Ich will kühn sein. Die Katze hat von mir zu trinken bekommen. Gern habe ich ihr den Hahn aufgedreht. Sollte Gott mir nicht genauso gern von seinem Wasser geben?

Foto: pixabay | Annette Meyer


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Stephanie Kelm

ist verheiratet und zu Hause im Taunus. Sie liebt es, schreibend und wandernd Gottes Welt zu entdecken und ist staunend und stolpernd unterwegs ins Vertrauen.


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