Geben und nehmen – beides will gelernt sein. Manchmal stolpere ich allerdings so durch mein Leben, dass nur noch eins geht: empfangen.
Wenn Geben nicht geht
Es ist nur eine kurze Mail, die da abends gegen sechs in meinem Posteingang landet. Für einen Moment bin ich irritiert, dann schmunzle ich. Mein Gegenüber, eine liebe Bekannte, schreibt: „Kann heute keine Mails mehr absenden, nur empfangen. LG.“
Die Mail wirft zunächst technische Fragen in meinem Kopf auf. Wenn sie Mails empfangen kann, müsste sie doch auch welche schicken können, oder nicht? Ich werde nicht schlau aus dieser Botschaft. Doch meine Gedanken wandern weiter.
„Kann heute keine Mails mehr absenden, nur noch empfangen.“
Ich schmunzele auch, denn meine Bekannte ist immer nur am Geben und stets da für andere. Sie selbst stellt sich dagegen oft zurück und wenn sie sich etwas gönnt, hat sie fast ein schlechtes Gewissen dabei, denn Frau Meyer hätte es doch eigentlich viel mehr gebraucht … Dass nun ausgerechnet sie nur noch empfangen kann. Irgendwie passt es!
Bedürftig
„Kann nur noch empfangen.“ Empfangen muss ich lernen. Genauso wie Geben. Ich bin in beidem nicht gut.
Vielleicht ist Empfangen so schwer, weil ich dabei ausgeliefert bin, angewiesen, nackig. Ich muss dem anderen ja sagen, dass ich brauche, ihn brauche. Zugleich ist der andere frei, muss er mir nichts geben. Auch wenn er könnte. Auch wenn ich es hoffe.
Im Moment brauche ich viel. Ich bin schutz- und trostbedürftiger als sonst, haltlos. Die letzten Wochen waren stressig, haben an mir gezehrt, immer wieder habe ich mich verloren. Wie gern wäre ich jetzt einfach nur Kind, umsorgt und gehalten! Auf Empfang mit Endlosnachschub.
Ich sehne mich auch nach Gott. Zurzeit ist mein Unterwegs mit ihm ziemliche Stolperei. Ich muss mich immer wieder neu herantasten an ihn. Gefühlt ist Gott mir Meilen voraus, weil ich es nicht hinkriege, ihm auf den Fersen zu bleiben.
Warum nur wirft mich das Leben immer so schnell hinaus? Warum rolle ich allem Möglichen den roten Teppich aus, nur nicht Gott? Und Gott darf mich dann wieder einsammeln und für das herhalten, was ich verzapfe.
Gottes Extrarunden
Ich weiß, er tut es. Und doch nervt es mich. Ich brauche Gott doch sowieso für die großen Dinge – Erlösung, Vergebung, ewiges Leben usw. Diese extra Arbeit durch mein Herumgestolpere und meine Irrwege könnte ich ihm ersparen.
Aber er dreht die Runde mit mir. Sagt er. Im Moment spüre ich davon zwar nicht viel, aber ich will darauf vertrauen, dass die Bibel mir nichts vorgaukelt. Eltern drehen Tausende von Extrarunden für ihre Kinder – wie viel mehr Gott!
„Kann heute keine Mails mehr absenden, nur noch empfangen.“ Es ist nicht nur der Satz meiner Bekannten, sondern auch mein Satz. „Gott, ich kann grad nichts senden, nur empfangen.“
An diesem Abend, nachdem ich die E-Mail erhalten hatte, war es mir ein besonderes Vergnügen, meiner Bekannten zu antworten. Wie schön ist es doch, wenn der andere einem nicht gleich etwas zurückgeben und -schicken kann, sondern einfach nur nehmen muss!
Vielleicht geht es Gott ja mit mir genauso?
Foto: pixabay | StockSnap
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Stephanie Kelm
ist verheiratet und zu Hause im Taunus. Sie liebt es, schreibend und wandernd Gottes Welt zu entdecken und ist staunend und stolpernd unterwegs ins Vertrauen.