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Leicht und schwer

Der Frühling bringt mir Leichtigkeit und zugleich Schwere, Schneeglöckchenfreude und Betroffenheit über das Böse. Auf der Suche nach Hoffnung.

Diese Woche wollte ich etwas Leichtes schreiben. Passend zu dem frischen Grün, das sich gerade Stück für Stück den Waldboden erobert. Passend zu den Sonnenstrahlen, die endlich wieder wärmen. Passend zu den Schneeglöckchen, die gerade überall stehen und mir zurufen: Der Frühling kommt!

Wie sehr genieße ich diese wachsende Schönheit – und das ist ja erst der Anfang. Das Leben kommt zurück, es ist nicht aufzuhalten! Der Frühling wird auch dieses Jahr seinen Weg finden. Juhu!

Zugleich, mitten in diese Freude, treten auch schwere Themen an mich heran, beschäftigen meinen Geist und mich, spotten über meine naive Freude.

Der Tod von Alexej Nawalny macht mich betroffen, ist die ganzen letzten Tage mit mir spazieren gegangen. Ich frage mich, warum ich hier solch ein freies Leben führen und Urlaub planen kann, während andere mit dem Leben bezahlen, weil sie sagen, was sie denken.

Vergangene Woche habe ich über Aufopferung geschrieben. Als Nawalny im Januar 2021 nach seiner Erholung vom Giftanschlag in Berlin ins Flugzeug nach Moskau stieg, wusste er, dass er sein Leben aufs Spiel setzte. Er tat es dennoch. Nun hat er mit dem Leben bezahlt.

Trauerzeit und Hoffnungszeit

Schneeglöckchen, Frühlingsfreude, Urlaubsplanung – und Grausamkeit, die nur schwer zu beschreiben und zu ertragen ist. Beides nebeneinander. In einer Welt. In der wir doch alle nur Menschen sind.

Im Markusevangelium bin ich gerade bei Kapitel 15. Auch ein schweres Kapitel. Jesu Kreuzigung. Ich merke, manches begreife ich nicht. Und spüre doch die Schwere, mit der Jesus durch seine letzten Stunden geht. „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mk 15,34)

Als Jesus stirbt, ist Frühling. Hoffnungszeit. Und er hängt am Kreuz. Die letzten drei Stunden seines Lebens verbringt er in Finsternis und in Verlassenheit von Gott und Menschen.

Im Widerspruch gehalten

Wie widersprüchlich das Leben ist. Es macht mir zu schaffen. Immer wieder. Und selbst wenn ich alle krassen Geschichten streiche, die nichts direkt mit mir zu tun haben, bleiben trotzdem Kontraste stehen. Schwere gibt es auch in meiner Schneeglöckchenwelt. Krankheit, Leid, Tod, Grausamkeit.

Wie lässt sich das aushalten? Kann man überhaupt mit solchen Widersprüchen leben oder ist es eher wie ein Stühlewechseln – jetzt sitze ich auf dem Stuhl der Schwere, nachher darf ich mich wieder auf den der Schneeglöckchenfreude setzen? Hin und her. Her und hin.

Ich habe heute Morgen auch wieder meinen Jahrespsalm, Psalm 46, aufgeschlagen. „Gott ist unsere sichere Zuflucht“ – meine sichere Zuflucht. Der Text tut mir gut. Er passt jeden Tag anders, aber er passt. Und er ermuntert mich auch zur Freude. Ich habe eine Zuflucht!

Als Jesus stirbt, ist Frühling. Als er ans Kreuz genagelt wird, blühen die Anemone. Und doch vereinen sich in Jesus alle Widersprüche. Am Ende siegt das Leben.

Das Grab kann Jesus nicht festhalten.

Meine Zuflucht bleibt

Gott ist eine sichere und starke Zuflucht für mich – in Schneeglöckchenfreude und dann, wenn mich diese Welt betroffen und wortlos macht.

Es gibt viel Schönheit. Immer noch. Ich darf und soll sie genießen, in mich aufsaugen, mich daran freuen. Vielleicht je mehr, desto stärker ich das wahrnehme, was eben nicht nach Gottes Plan läuft. Staunen und Freude wollen gepflegt sein.

Und in den anderen Stunden und Tagen will ich das Schwere mit Gott teilen, mit ihm gemeinsam daran knabbern. Er ist doch meine Zuflucht! Wenn ich ihn brauche, dann gerade in diesen Momenten.

Als Jesus stirbt, ist Frühling. Hoffnungszeit. Zeit der Anemone. Jesus ist nicht im Grab geblieben. Meine Hoffnung ist nicht gestorben. Meine Zuflucht lebt.

Foto: pixabay | Ilona Ilyés


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Stephanie Kelm

ist verheiratet und zu Hause im Taunus. Sie liebt es, schreibend und wandernd Gottes Welt zu entdecken und ist staunend und stolpernd unterwegs ins Vertrauen.


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